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Sparkurs bei N24Albernheiten und Nichtigkeiten

N24 muss gerettet werden, fordern viele - auch, weil der Newskanal die Nachrichten für den Rest der Senderfamilie liefert. Doch die sind furchtbar mau: Boulevard statt Weltgeschehen.

Große Schüssel – nichts dahinter? Bild: rtr

Es ist fast schon bemerkenswert, mit welchem Aufwand sich die Mitarbeiter von N24 gegen den Sparkurs im eigenen Programm stemmen. Etwa mit ihrem Blog "Nachrichten sind wichtig" oder dem Twitter-Account "Rettet das N". Darin sammeln sie, was gegen Kürzungen bei N24 spricht, wie sie Thomas Ebeling, der Chef von ProSiebenSat.1, angedroht hat.

Der tut Nachrichten als "wirtschaftliches Problem" ab. In einem Interview sagte er neulich, Durchschnittszuschauer würden "nicht verzweifeln", wenn am News-Angebot geschraubt würde. In einer Zeit, in der ihre Redaktion dem Streben nach Maximalrendite ganz oder zumindest in Teilen zum Opfer fallen könnte, kam den gut 300 N24-Mitarbeitern jüngst etwa gelegen, wie das NDR-Magazin "Zapp" über den "Kampf gegen den reinen Kommerz" berichtete, damit "am Ende nicht der Profit das Programm bestimmt".

Dabei bestimmt der Kommerz bei N24 längst das Programm. Und differenziert war das, was "Zapp" da brachte, leider auch nicht. Der Beitrag ignorierte einfach, wie schlecht, lieblos und kostendrückend das alles ist, was N24 so alles produziert, darunter die Nachrichten für ProSieben, Sat.1 und Kabel eins.

Schade eigentlich, denn wie tief sie bei N24 in die Trickkiste greifen, wenn sie ihre sogenannten Nachrichtensendungen produzieren, zeigte sich etwa bei den "kabel eins news" am vergangenen Samstag. Nach gerade einmal einer Minute und fünfunddreißig Sekunden zum Weltgeschehen (Klimagipfel) liefen Beiträge über das Verbot von Stierkämpfen in Nordspanien und einen zweijährigen Jungen, der mit gut 30 Nadeln im Körper in eine Klinik eingeliefert wurde und dort mit dem Tode ringt.

Boulevard statt Weltgeschehen, vor allem aber ein Verschiebebahnhof in der Nachrichtenfabrik. Die Voodoo-Puppen-Attacke lief fast identisch bereits am Freitag in der ProSieben-"Newstime", die das Ganze nach Sensation gierend als "Horrorgeschichte aus Brasilien" verkaufte. Und den Bericht aus Katalonien versendete N24 genau so sogar schon am Donnerstag, also zwei Tage zuvor, in den "Sat.1 Nachrichten".

Das zeigt, wie wenig Aktualität bei den Journalisten der Sendergruppe zählt. Sie versuchen lieber, mit möglichst wenig Aufwand vorzugaukeln, ihre Zuschauer zu informieren. Die Politik diskutiert derzeit, ob bei einer Reduzierung just dieses Angebots die Informationspflichten für die Privatsender verschärft werden müssten. Wer sich das Programm angesehen hat, der weiß indes: Das hätte schon längst passieren sollen.

Da passt es ins Bild, dass die ProSieben-"Newstime" nach ihrem Bericht aus Brasilien noch eine weitere seichte Geschichte hinterherschob: wie ein Japaner seine Schönheit aus einem Videospiel heiratete. Die wirklich wichtigen Entwicklungen auf der Welt werden in der ohnehin nur neun Minuten langen Sendung von Albernheiten und Nichtigkeiten verdrängt. Dass etwa der Bundesgerichtshof grundlegend zu Unterhaltszahlungen für Kinder geurteilt hat, schafft es nicht ins Programm.

Das wird ohnehin mit günstigem Material gestreckt, wo es nur geht. Die Reporter von N24 dürfen dafür etwa in Berlin über den Weihnachtsmarkt am Potsdamer Platz schlendern - vor der Haustür des Senders - und "bibbernde Werktätige, aber auch echte Winterliebhaber" interviewen. Der Nachrichtenwert tendiert gegen null. Dafür darf vier Tage vor Heiligabend ein Sprecher des Onlineversandhauses Amazon in allen drei Nachrichtensendungen dafür werben, dass "wer bis zum 22. abends bestellt, bis Weihnachten garantiert beliefert" wird.

So auch in der Sportberichterstattung. Die findet in den Nachrichten der drei sogenannten Vollprogramme der ProSiebenSat.1-Gruppe nämlich quasi gar nicht statt, von der Fußball-Bundesliga als Ergebnisliste und der Champions League einmal abgesehen, für die Sat.1 die Rechte hat.

Vermeintlich hintergründig wird es hingegen, sobald Vorfälle aus dem Sport Thema werden. Als Jens Lehmann auf Sat.1 bei Johannes B. Kerner "Reue zeigte", war das den Nachrichtensendungen von ProSieben und Kabel prompt mehr Sendezeit wert als dem Showdown zwischen Barack Obama und den Chinesen beim Weltklimagipfel.

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10 Kommentare

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  • DG
    da g.

    Auch wenn's für die dort Arbeitenden bitter ist, noch mehr Verflachung bei N24 ist letztlich egal & hätte auch kaum wirklich gravierende Auswirkung auf die Nachrichtenszene; die eingekauften Panzerdokus sind meist noch das am besten Recherchierte neben den Wiederholungen der eigenen Restrampe. Der Senderchef nutzt so nur halbzynisch die Tatsache, dass kein Zuschauer dort die tiefe & seriöse Offenbarung des aktuellen Journalismus erwartet (die ist kaum machbar mit Hedgefonds im Nacken, die teilweise auf den Caymans sitzen & abartige Sparkurse mit halsbrecherischen Finanzdeals kombinieren, aber damit haben Kartellamt & Landesmedienanstalten offenbar kein Problem...).

  • T
    tageslicht

    @ Daniel

     

    Ich habe in meinem Beitrag, den Sie vermutlich nur überflogen haben, nicht die Position der taz kritisiert, sondern den Nachrichtenwert entsprechender Artikel, die tatsächlich wenig Neues bringen.

     

    Falls Sie es nicht gemerkt haben: Es ist absurd, jemandem zu unterstellen, er sei rechts oder konsumiere besser rechte Medien, wenn er mit der einseitig Grünen Berichterstattung nicht einverstanden ist. In Ihren Augen also entweder grün oder rechts. Schauen Sie nach Hamburg oder isn Saarland. Da geht ja auch beides.

  • DW
    Daniel W.

    Ich schätze "Zapp" eigentlich als zumeist recht kritisches Magazin, aber beim Ansehen des besprochenen Beitrages habe auch ich mich gefragt, wann die zuständigen Redakteure eigentlich das letzte Mal die fraglichen "Nachrichten" der Pro7-Sat1-Gruppe gesehen haben. Ehrlich gesagt ertrage ich als Fremdschämer die Pro7-"News" nicht, lieber verpasse ich die ersten zwei Minuten der Simpsons (der letzten intelligenten Sendung im Pro7-Programm).

     

    @ tageslicht: Dass der taz in der selben Szene entstanden ist wie die Grünen, dürfte allgemein bekannt sein. Wenn Ihnen das nicht passt, gibt es ja auch rechte (teils rechtsradikale) Medien wie BILD...

  • WW
    - wolf

    @Wer

    is doch toll, wenn die detaillierten infos ueber ein npd- verbot in dem dafuer zustaendigen - weil so beantragter lizenz - sender nicht laufen. und das ausland interessiert das anscheinend nur marginal.

     

    hat eigentlich der holger pfahls in seinem revisionsurteil den pensionsanspruch erstritten?

     

    (ins neue jahr hineingleitend)

  • C
    Crowman

    Könnte man diese "Sender" nicht dazu verpflichten,

    nach jedem Werbeblock eine Warnung auszustrahlen, wie:

    DIE NACHFOLGENDE SENDUNG KANN SICH

    KATASTROPHAL AUF IHRE INTELLIGENZ, IHR AUSSEHEN

    UND IHR ALLGEMEINES STILEMPFINDEN AUSWIRKEN:

    BEI RIESIGEN NEBENWIRKUNGEN FRESSEN SIE DIE

    PROGRAMMZEITSCHRIFT ODER ERSCHLAGEN SIE DIE

    ÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN.

     

    oder:

     

    DER KONSUM DER NACHFOLGENDEN INHALTE,

    HAT IMPOTENZ, ORANGENHAUT UND SABBERNDE

    VERBLÖDUNG ZUR FOLGE.

     

    oder:

     

    FÜR IRREPARABLE SCHÄDEN AN IHREM NEOKORTEX

    ÜBERNIMMT DER SENDER KEINE, WIE AUCH IMMER GEARTETE

    HAFTUNG, SIE IDIOT!

     

    Wie? Was soll das heissen, das wäre unseriös und ausserdem gelogen?

    So what?

    Ein Mann wird ja noch träumen dürfen.

    Ausserdem: Sowas wie RTL für seine

    "journalistischen Standards"

    zu kritisieren, hat was rührendes.

    Wer würde denn etwa von den Teletubbies, um ein zufälliges Beispiel zu nennen,

    eine differenzierte Analyse des lettischen Staatshaushalts von 2002 erwarten?

     

    Hochachtungsvoll

     

    moi

  • T
    tageslicht

    Leider tendiert der Nachrichtenwert der taz auch gegen Null, wenn sie wieder einmal mit ihrer sabbernd-seichten Manipulations-Agitations-Grütze pro Grüne beginnt, wie sie zur Zeit gleich in zwei Leitartikeln zu finden ist.

     

    Mein Tipp für Sie: Erst einmal vor dem eigenen Hof kehren.

  • JS
    Jack Salinger

    Da könnte man doch ebenso verlangen, dass ein Puff und ein Abzock-Wetten-Shop Nachrichten senden muss. Also ProSieben und Sat.1 - ihr habt schon recht. Solange die Landesmedienanstalten mitziehen (aus welchen Gründen auch immer), wen juckts. Geld herschaffen, egal wie, wo, von wem und so lange es geht.

  • V
    vogo

    @Wer

    jenau so isses!!!

  • R
    roterbaron

    Diese Sender sind der Grund weshalb ich nicht mehr fernsehe. Ernsthaft. Ich habe früher viel fern gesehen, je älter ich wurde , je mehr ich mich durch andere Medien wie Zeitungen bzw. Eigenrecherche gebildet habe, desto weniger habe ich mir das reingezogen(Viel zu langweilig viel zu stupiede). Im Gegenteil ich verabscheue diese Art von "Journalismus"!

     

    Wir wundern uns, weshalb die Menschen politikverdrossen (und absolut dämlich) sind?

    Das da oben im Text ist ein ganz großes Stück vom Problemkuchen.

     

    Wenn man die Menschen nicht informiert, dann ist es logisch, dass sie aus allen Wolken fallen, wenn ein Gesetzt in Kraft tritt,

    oder glauben das ausschließlich Politik über die Köpfe von Menschen gemacht wird.

     

    Und da gerade meine Generation, leider zu genüge, diese Sender guckt ist es nicht verwunderlich, dass die Politikverdrossenheit dort besonders hoch ist.( U 25 )

    Wenn immer wieder die selben dämlichen "NationalGeographicdokus" auf N24 in einer endlos schleife laufen, welche einen Infogehalt haben wie eine Bedienungsanleitung eines super-mega großen Trucks/schiffs oder sonstiger Maschiene bzw. eines Suuuper gefährlichen Jobs, brauch man sich über Qualität gar nicht mehr unterhalten und an Bildung nichtmal denken.

    Wenn Heidi Klum auf Pro7 rauf und runter kreischt wie toll sie doch ist und das sich doch bitte alle Frauen bei einem "Casting für besonders Schlaue" anmelden sollen, damit Germany ein neues Topmodel bekommt, dann frage ich mich ernsthaft in welchem Affenzirkus ich hier eigentlich lebe?!

    Von den "Nachrichten" will ich nicht anfangen, das wurde ja im Artikel schon ausführlich behandelt!

     

    Woher ich das weiss? Nun das lief schon vor 3 Jahren auf diesen Sendern. Solange schaue ich schon nicht mehr, aber geändert hat sich, nach meiner Fernsehzeitung (die bekomme ich Umsonst) zu urteilen, bis Heute nichts!

     

     

    Diese Profitgeier und Spaßgesellschafter haben eine mitschuld an der Verblödung der Menschen,weil sie eigentlich Verantwortung über Informationen haben und sie missbrauchen, davon bin ich fest überzeugt!

     

    Das tragische ist ... die Gesellschaft nimmt diese Programme an , konsumiert sie und wundert sich, wenn das Leben nicht so tolle und einfache Lösungen parat hält wie Nachmittagsrichterinnen oder es nicht so läuft wie bei "taff topmodel und CO.".

  • W
    Wer

    hab schon lange das gefühl, dass diese programme nicht mehr bewirken, als die verdummung der menschen voranzutreiben. ich finde es ebenso beachtlich, wie viel zeit darauf verwendet wird, uns die tollsten errungenschaften der amerikanischen rüstungsindustrie zu präsentieren.

    einfach nur erbärmlich. ntv ist übrigens auch nicht viel besser.