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SpardebatteSparen bei Dörfern und Palästen

Kein Stadtschloss in Berlin, weniger Flurbereinigung in Baden-Württemberg – was die Sparbeschlüsse der Bundesregierung konkret bedeuten.

Das Berliner Stadtschloss: Vorerst wird daraus nichts. Bild: dpa

BERLIN taz | Kurt Renner sortiert Land. Dem einen Bauern nimmt er einen Acker weg und gibt ihn dem benachbarten Landwirt. Dieser muss sich für das Geschenk mit einem anderen Grundstück revanchieren. Das nennt man Flurbereinigung. Das Ziel: Anstatt vieler kleiner Ackerparzellen sollen die Bauern lieber große Stücke bewirtschaften. Das spart Diesel für den Schlepper, Maschinenmiete und Zeit. "Die Höfe arbeiten dann rentabler", sagt Renner, der Leiter der Flurbereinigung in dem baden-württembergischen Örtchen Trochtelfingen-Hausen.

Die Bauern leiden unter den niedrigen Preisen, die ihnen die Discounter zahlen. Und die Flurbereinigung hilft den Höfen beim ökonomischen Überleben. Selbst bezahlen kann der Landkreis Reutlingen südöstlich von Tübingen, wo Trochtelfingen liegt, die "Arrondierung" genannte Neusortierung der Parzellen aber nicht. Deshalb geben das baden-württembergische Agrarministerium und das Bundesministerium für Landwirtschaft dieses Jahr rund 600.000 Euro dazu.

Ob solche Summen im kommenden Jahr noch zur Verfügung stehen, ist fraglich. Denn Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) soll in ihrem Etat im Jahr 2011 rund 57 Millionen Euro einsparen. Diese Summe steht in der Liste, die Finanzstaatssekretär Werner Gatzer den Bundesministerien zur Vorbereitung der Sparklausur des Kabinetts am Sonntag und Montag geschickt hat.

1,3 Milliarden Euro sollen die Ministerien bei solchen Ausgaben sparen, für die man keine komplizierten, gesetzlichen Änderungen braucht. Wo die weiteren 8,7 Milliarden Euro eingespart werden sollen, die nötig sind, um das Defizit des Bundes im kommenden Jahr um rund 10 Milliarden zu senken, ist Gegenstand der Kabinettsklausur.

Dem Sparen fällt dabei möglicherweise auch ein Teil der "Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" zum Opfer. Damit finanzieren Bund, Länder und Gemeinden nicht nur die Zusammenlegung von Äckern und Weiden, sondern auch den Bau von Wanderwegen für Touristen, die Renaturierung von Bächen, Zuschüsse für verarmte Milchbauern oder Subventionen für Landwirte, deren Felder im Bergland liegen und deshalb weniger Ertrag abwerfen.

Einsparungen hätten so auch Auswirkungen auf die Landwirte in Trochtelfingen. "Die Flurbereinigung verbessert die Einkommen der Landwirte um bis zu 20 Prozent", sagt Renner. Im Umkehrschluss bedeutet der Verzicht auf weitere Arrondierungen Einbußen für Bauern, die bislang nicht an der Flurbereinigung teilnehmen konnten.

In der Klausur der Regierung am Sonntag und Montag mögen solche Sparmaßnahmen abstrakte Zahlen bleiben. Bei den Empfängern des Geldes sind die Verluste aber konkret. Das gilt ebenso für ein anderes, umstrittenes Beispiel: das Stadtschloss in Berlin.

Rund 550 Millionen Euro soll das gigantische Projekt zum Wiederaufbau der Hohenzollern-Residenz in der Mitte der Hauptstadt kosten. Wegen der üblichen Explosion der Baukosten könnten sich am Ende die tatsächlichen Kosten leicht auf 1 Milliarde Euro summieren. Weil sich der Bund dazu verpflichtet hat, den größten Teil zu bezahlen, macht sich das Finanzministerium nun verstärkt Gedanken darüber, wie man das "überflüssige Prestigeprojekt" auf die lange Bank schieben kann. Aber auch einige Abgeordnete des Haushaltsausschusses im Bundestag rechnen schon nicht mehr damit, dass der Bau wie geplant im kommenden Jahr beginnt.

Auch hier gilt: Das staatliche Geld kommt irgendwo an - oder eben nicht. In den armen Ländern Berlin und Brandenburg entscheiden die Baumillionen darüber, ob tausende Bauarbeiter Jobs haben und Steuern zahlen oder sich beim Arbeitsamt anstellen müssen.

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13 Kommentare

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  • F
    freidenker

    @Cornel

     

    So so demokratischer Beschluß des Bundestages. Was sitzt denn im Bundestag ? Doch nur Lobbyvertreter, die dafür sorgen, dass ihre Klientel sich am öffentlichen Topf bereichern können.

     

    Und das Schloß bringt bestimmt so viel Geld durch Touris, dass man dafür mal 'ne Milliarde rausbläst ?

     

    Kommt bestimmt in 100 Jahren locker wieder rein in die soliden Berliner Stadtfinanzen.

  • D
    dorfzukunft

    die Gemeinschaftsaufgabe finanziert auch die Dorferneuerungsprogramme der Länder mit, also z.B. die Sanierung in Ortskernen (als Alternative zum Flächenverbrauch in Neubaugebieten), was gleichzeitig eine enorme Wirtschaftsförderung für die Handwerksbetriebe im ländlichen Raum bedeutet (man liest häufig, dass 1 Förder-Euro mindestens 7 privat investierte Euro auslöst).

     

    Außerdem wird den finanzschwachen Kommunen mit Fördermitteln aus diesem Programm ermöglicht, ihre Entwicklung vor dem Hintergrund des demographischen Wandels nachhaltig zu gestalten, z.B. durch generationenübergreifende Angebote, eine Sicherung der Nahversorgung / Infrastruktur (auch wenn es nur ein Fahrservice für nicht-mobile in den nächsten versorgten Ort ist) oder die Förderung der Dorfgemeinschaft, damit auch längerfristig noch mit dem ehrenamtlichen Engagement das aufrechterhalten werden kann, was unser Sozialsystem nicht mehr leistet.

     

    In der Dorferneuerung werden heute kaum noch Prestigeobjekte von Bürgermeistern finanziert, sondern es wird versucht, die soziale Daseinsvorsorge zu sichern. Und das geht nicht ohne Fördermittel, die eine Hilfe zur Selbsthilfe bieten.

     

    Die Bundesraumordnung sichert eigentlich eine Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in allen Regionen der Bundesrepublik (was ja sowieso schon ein dehnbarer Begriff ist), aber durch Kürzungen in Programmen wie der Dorferneuerung führt man diesesn Grundsatz ad absurdum.

  • E
    EnzoAduro

    @ Redaktion:

    Warum kostet Flurbereinigung überhaupt Geld? Zwei Bauern werden dazu verdonnert Land zu tauschen. Wo entstehen da kosten, außer für den Beamten der die verdonnert?

     

    Wenn man den Bauern tatsächlich Geld schenken muss damit die effizienter arbeiten, dann sollte man damit aufhören. Die kleinparzelligen gehen Pleite und dann haben wir auch unsere Flurbereinigung. Ich sehe nicht ein dafür Geld zahlen zu sollen.

     

    Würde mich sehr um eine Antwort freuen.

     

    Vielen Dank

  • C
    Cornel

    Gelegentlich hat man den Eindruck, als ob manche Kommentatoren hier glaubten, der Wiederaufbau des Schlosses diene lediglich der Befriedigung irgendeiner Großmannssucht?

     

    Vielleicht ist manchen noch nicht ganz klar, dass es zum Wiederaufbau des Stadtschlosses einen demokratischen Mehrheitsbeschluß des Deutschen Bundestages gibt...ob der nun manchem paßt oder nicht!

     

    Vielleicht ist darüberhinaus so manchem auch nicht klar, dass

    a) der dann wieder bebaute Raum zweckgebunden ist, also einen Zweck erfüllt und

    b) man mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass das wiedererstandene Schloß als Magnet für viele Touris wirken wird, derer die Stadt öknomisch bedarf, denn die Tourismusindustrie ist ja eigentlich die Einzige, die in Berlin ständige Zuwachsraten erfährt und überhaupt Kohle in die Stadt reinbringt.

    Die vielen alternativen Gutmenschen dieser Stadt tragen leider wenig dazu bei, dass die städtischen Finanzen einigermaßen robust sind.

     

    Mich persönlich nervt es einfach nur noch kolossal, dass das Demokratieverständnis einiger anscheinend derart unterentwickelt ist, dass immer wieder der Beschluß des Bundestages immer und immer wieder in Frage gestellt wird. WAS soll DAS?

  • K
    Karlsruher

    Hab ein bisschen ein Problem damit, dass der Länderfinanzausgleich dabei vergessen wird.

    Der Länderfinanzausgleich lastet schwer auf dem Haushalt Baden-Württembergs, ermöglicht in anderen Ländern derweils eine unverantwortliche Verteilungspolitik und verhindert auch dort das sinnvolle Sparen.

  • FS
    Frank Schwerin

    Wenn ich schon 'Prestigeobjekte' höre wie berliner Stadtschloss und stuttgarter Bahnhof- denke ich nur an die verantwortlichen Beförderer, Politiker und Ausführenden solcher Ideen.

    Wer in der jetzigen Finanz- und vor allem Glaubwürdigkeitskrise als Politiker nicht den Mut und die Einsicht zum Umsteuern hat, trägt zur allmählichen

    Zerstörung der Demokratie bei, wird sich jedoch angesichts von bestätigenden Neu'wahlen' davon nicht abhalten lassen.

    Videant consules !

  • A
    Andreas

    "Auch hier gilt: Das staatliche Geld kommt irgendwo an - oder eben nicht. In den armen Ländern Berlin und Brandenburg entscheiden die Baumillionen darüber, ob tausende Bauarbeiter Jobs haben und Steuern zahlen oder sich beim Arbeitsamt anstellen müssen."

     

    Aber dann das Geld doch bitte in sinnvolle Projekte wie Bildungs- und Sporteinrichtung oder Öffentlicher Nahverkehr stecken. Auch dort kommt das Geld irgend wo an und zwar nicht nur kurzfristig in Form von Steuern unterbezahlter Bauarbeiter, sondern langfristig in Form von gebildeten, gesunden Menschen die Bahn und Rad fahren können.

  • E
    elektriker

    Da hätte man dann doch besser den ollen lampenladen renoviert als dieses mahnmal der geschichte für unsummen abzureissen um das symbol einer früheren diktatur wieder aufzubauen. und was kommt jetzt? ein einkaufszentrum??

  • D
    DDR

    Daran sieht man, welches Klientel diese Zeitung bedient:

    Bauern und Bauarbeiter. Wir müssen alle sparen! Und da gehört eine kürzung der Rüstungsausgaben genauso dazu, wie die Umsatzeinbußen für die Bauern!

    Und auch der Schlossbau MUSS gestoppt werden! Zumindest jetzt!

  • F
    freidenker

    Ein Kropf ist nötiger als dieses Stadtschloss.

     

    Und überhaupt ich kanns nicht mehr hören diese Kostenexplosionen bei öffentlichen Bauten.

     

    Z. B. die Elbphilharmonie, oder unsinnige Strassenprojekte, die einfach durchgepeitscht werden. Das wird doch nur durchgezogen, weil sich einige Baukriminelle so am öffentlichen Topf bedienen können.

     

    Und unsere Politlaschis gucken zu.

    Sehr peinlich.

  • HS
    Herr Saliekier

    Das Stadtschloss ist m.E. das erbärmlichste durch Lobbygruppen durchgepeitschte Projekt der letzten 20 Jahre.

  • FW
    Frank Wegener

    In Stuttgart könnte allein der Bund 2,6 Mrd. Euro sparen wenn das Wahnsinnsprojekt Tiefbahnhof S 21 endlich gestoppt würde. Das Land, die Stadt und auch die Bahn hätten sicher auch weit wichtigere Stellen das Geld, mit dem sie dabei sind, unterzubringen als in diesem völlig überflüssigen Prestigeobjekt.

  • G
    genova

    Das Schloss kippt? Endlich mal eine positive Auswirkung der Finanzkrise.