piwik no script img
taz logo

Spaniens Rundfunkanstalt RTVEKonsenslösung von vorgestern

Alberto Oliart ist neuer Präsident der staatliche Rundfunkanstalt RTVE in Spanien. Kritisiert wird, dass er von Medien kaum Ahnung hat und älter als das Fernsehen ist.

Journalisten befürchten graue Zeiten des spanischen Staatsfernsehen: Sowohl die personellen als auch inhaltlichen Reformen werden bemängelt. Bild: dpa

Spaniens staatliche Hörfunk- und Fernsehanstalt RTVE hat einen neuen Präsidenten. Mit mehr als der erforderlichen Zweidrittelmehrheit wurde Alberto Oliart am Dienstag vom Parlament ins Amt gehoben. Als "einen Mann des Konsenses" loben die regierende sozialistische PSOE und die konservative Oppositionspartei PP den Neuen. Doch nicht nur bei den Journalisten von Radio Televisión Española (RTVE) sorgt die Ernennung für Unverständnis. Oliart ist 81 Jahre alt und begann seine politische und berufliche Laufbahn unter Diktator Franco.

"Sarkasmus und eine Aggression" sieht ein ehemaliger Fernsehjournalist in der Ernennung, "Spott und Widerspruch" ein anderer. Die beiden regen sich über das Alter Oliarts auf, denn sie wurden in den letzten beiden Jahren im Rahmen einer Sanierung in den Vorruhestand geschickt - wie alle 4.150 der einst rund 10.000 Beschäftigten, die älter als 52 Jahre waren. RTVE verlor so seine erfahrensten Mitarbeiter. "Entweder werden alle nach dem Alter beurteilt oder keiner", beschwert sich so mancher der Betroffenen jetzt. Die Entlassenen mussten unterschreiben, keinen neuen Job im Fernsehgewerbe anzunehmen, wenn sie ihre Abfindung und Rente nicht verlieren wollen. Außerhalb der Anstalt wundern sich die Kommentatoren darüber, dass Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero und sein konservativer Opponent Mariano Rajoy nach wochenlangem Suchen keine andere Konsensperson gefunden haben als eine, die für die Vergangenheit Spaniens steht und nicht für Erneuerung und Zukunft. Oliart, unter Franco Staatsanwalt am obersten Gerichtshof und später Industrie-, Gesundheits- und dann Verteidigungsminister unter der ersten demokratischen Regierung, gibt offen zu, von Medien nur wenig Ahnung zu haben. Und neue Technologien sind ihm ein Graus. Wenn er von Geldbeträgen redet, rechnet Oliart immer noch gern in Peseten statt in neumodischen Euros.

So mancher befürchtet, Oliart könne von den Aufgaben, die vor ihm liegen, überfordert sein. Er übernimmt eine Fernsehanstalt, die eine schwere Krise überlebt hat. Knapp die Hälfte der Belegschaft wurde entlassen, der Staat übernahm mehr als 7 Milliarden Euro Schulden. Ab Januar 2010 sollen die beiden TVE-Kanäle ohne Werbung auskommen. Stattdessen erhebt die Regierung eine Sondersteuer auf die Gewinne von Telekommunikationsunternehmen und Privatfernsehen. Sie wird einen Großteil der Ausgaben von RTVE decken. 1,2 Milliarden Euro stehen der Sendeanstalt 2010 zur Verfügung.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Oliarts Vorgänger Luis Fernández sein Amt nicht wie offiziell bekundet aus "rein persönlichen Gründen" niedergelegt hat, sondern weil er mit der werbefreien Finanzierung nicht einverstanden war.

Denn mit der neuen Finanzierung geht auch eine Reform der Sendeinhalte einher. TVE, das unter Fernández wieder zum Spitzenreiter in der Zuschauergunst aufgestiegen war, soll sich künftig mehr als bisher auf die Funktion einer öffentlichen Sendeanstalt beschränken. Große Shows, teuere Hollywoodproduktionen oder gar Übertragungen von sportlichenGroßveranstaltungen oder von Spitzenspielen des spanischen und europäischen Fußballs gehören nicht dazu. "In kürzester Zeit wird TVE ein Sender sein wie das öffentliche Fernsehen in den USA, mit 3 Prozent Marktanteil, der königliche Hochzeiten und Militärparaden überträgt", befürchtet ein ehemaliger Programmchef.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!