: Spaniens Rechte enttäuscht über den Sieg
■ Baskische und katalanische Nationalisten spielen ihre Schlüsselrolle genüßlich aus
Madrid (taz) – Umfragen bieten keinerlei Gewähr, das weiß seit gestern José Maria Aznar. Zehn bis zwölf Prozent Vorsprung bei den spanischen Parlamentswahlen sagten die Meinungsforschungsinstitute seiner konservativen Volkspartei Partido Popular (PP) voraus – das wäre die absolute Mehrheit gewesen. Doch nun liegen die Konservativen nur knapp 1,4 Prozent vor der sozialistischen PSOE von Regierungschef Felipe González, die sich mit 37,5 Prozent erstaunlich gut schlug. Trotz unzähliger Korruptionsskandale hat sich das Ergebnis der Sozialisten damit nur wenig verschlechtert.
Bei der Sitzverteilung ist der Unterschied – dank des Auszählungsverfahrens – wesentlich größer. Die PP kann 156 Abgeordnete stellen, 15 mehr als die PSOE – aber zur absoluten Mehrheit fehlen 20 Mandate. Die konservativen baskischen Nationalisten von der PNV konnten mit fünf Abgeordneten ihr Ergebnis halten, während die katalanische CiU einen Abgeordneten einbüßt. Doch dies sind immer noch genug. Will Aznar eine regierungsfähige Mehrheit zustande bringen, muß er sich mit den Nationalisten einigen. Aber CiU und PNV pokern hoch: Sie zeigen der PP bisher die kalte Schulter.
Zweite Überraschung: das Ergebnis der kommunistischen „Vereinigten Linken“ (IU). Sie konnte sich die Krise der Sozialisten nicht zunutze machen. Mit 10,6 Prozent und 21 Abgeordneten liegen sie nur knapp über dem Ergebnis von 1993. Eine Tatsache, die noch in der Wahlnacht zu ersten Krisensitzungen führte.
Bei der Regionalwahl in Andalusien verblüffte das Ergebnis noch mehr. Statt des erwarteten haushohen Wahlsiegs der PP erzielte sie nur 34,4 Prozent, wie bei den letzten Wahlen. Die PSOE (43,6 Prozent) dagegen gewann fünf Prozent dazu. Drei Sitze fehlen hier zur absoluten Mehrheit – das reicht für eine bequeme Minderheitsregierung. Großer Verlierer ist die IU. Die Kommunisten kamen gerade auf 14,1 Prozent – eine Strafe für ihre Oppositionspolitik mit der PP gegen die PSOE- Regionalregierung.
In der baskischen Stadt Irun wurde gestern bei einem vermutlichen ETA-Bombenanschlag ein Polizist verletzt. Beide großen Parteien hatten der ETA einen verschärften Kampf angedroht.
Reiner Wandler Tagesthema Seite 3
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