Spanien vor der Wahl: Harter Wahlkampf vor weicher Landung
Vor der Wahl ersetzen die großen Parteien Mangel an Inhalten durch Schärfe in der Rhetorik. Die Sozialisten können mit dem Sieg rechnen - aber nicht mit einer Mehrheit.
MADRID taz Die beiden Fernsehdebatten waren symptomatisch für den Wahlkampf. Spaniens sozialistischer Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero und sein konservativer Herausforderer bei den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag, Mariano Rajoy, redeten unaufhörlich aneinander vorbei, beleidigten sich und hielten sich die gleichen unversöhnlichen Argumente vor, die Spaniens politisches Leben in den letzten vier Jahren bestimmt haben. Ob Terrorismus, Sonderrechte für die von Nationalisten regierten Regionen, Bildung, Soziales oder Immigration, die beiden Politiker sind sich in nichts einig. Wie auch: Die Umfragen sehen Zapateros PSOE nur vier Prozent vor Rajoys Partido Popular (PP). Für eine absolute Mehrheit würde das nicht reichen. PSOE wie PP versprechen sich von einer harten, unfairen Auseinandersetzung einen letzten mobilisierenden Effekt.
Die PP hat bis heute ihre Niederlage nach den Terroranschlägen von Madrid am 11. März 2004, nur drei Tage vor den letzten Wahlen, nie verkraftet. Sie bestreitet die Legitimität der Regierung Zapatero und mobilisiert ihre Anhänger immer wieder auf der Straße, ob zum Schutz der Familie, gegen die Homoehe, für Religionsunterricht oder gegen Verhandlungen mit der baskischen ETA. Rajoy sucht jetzt gar im Populismus sein Glück. Ein "Integrationsvertrag" für Immigranten müsse her. Er soll Einwanderer verpflichten, sich an Sitten und Gesetze Spaniens zu halten. Ein Verstoß dagegen wäre dann ein Grund zur Abschiebung. Massive Legalisierungskampagnen für illegal im Lande Lebende wie unter Zapatero soll es mit Rajoy nicht geben.
Sehr zum Leidwesen der Regierung gerät pünktlich zum Wahlkampf der Motor des überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums der letzten Jahre, die Bauindustrie, ins Stocken. Die Arbeitslosigkeit steigt schneller als je zuvor. Ein Thema, das die PP reichlich nutzt.
Um dagegenzuhalten, will Zapatero, der immer wieder an die Fehler seines konservativen Vorgängers Aznar erinnert, "die Lage etwas anspannen". "Ich selbst werde beginnen, zu dramatisieren", erklärte er unter vier Augen gegenüber einem TV-Moderator. Die Mikrofone waren allerdings noch offen. Ein PSOE-Handbuch für Wahlkämpfer beschreibt, wie die Dramatisierung aussehen soll. Es wird empfohlen, die Konservativen als "Bunker der extremen Rechten" zu beschimpfen. Ängste aus Zeiten des Bürgerkrieges und der Franco-Diktatur sollen traditionelle Nichtwähler, wie vor vier Jahren nach den Anschlägen von Madrid, für die Sozialisten an die Urnen bringen.
"Lasst euch keine Angst einjagen und auch nicht die Angst vor der Angst", predigt dagegen der Spitzenkandidat der Vereinigten Linken (IU), Gaspar Llamazares, auf seinen Wahlkampfveranstaltungen. Er fürchtet, sein Bündnis rund um die Kommunistische Partei könne zum Opfer der Polarisierung werden. Laut Umfragen droht IU der Verlust eines ihrer bisher fünf Abgeordnetenmandate und damit des Fraktionsstatus. Doch die Krise bei IU ist auch hausgemacht. Llamazares hat es versäumt, ein eigenes Profil zu pflegen. Nach dem überraschenden Wahlsieg Zapateros 2004 reihte er sich hinter den Sozialisten ein, anstatt eigene Ideen zu entwickeln, verteidigte die Politik Zapateros und stimmte ein in den Chor "Alle gemeinsam gegen die PP".
Am linken Flügel von IU kritisieren deshalb viele Llamazares als "profillos". Ein Versuch, ihn per Urabstimmung als Spitzenkandidat abzulösen, scheiterte zwar, verschärfte aber die interne Krise, unter der IU seit Jahren leidet. Nun soll ein moderner Wahlkampf mit Videos im Internet helfen: Superheld Llamazares löst als Zeichentrickfigur die Probleme Spaniens, wie die Wohnungsnot der Jugendlichen oder die Benachteiligung der Frauen. In einem Video verbrennt Llamazares gar ein Foto der Königsfamilie. Dies soll bei jungen Wählern Sympathien schaffen, sorgt aber zugleich für Aufregung in den Medien.
"Die Arbeiter begehen einen Fehler, wenn sie dieses Mal PSOE wählen", erklärt Llamazares beharrlich und versucht sein Glück bei den Anhängern der größten Gewerkschaft des Landes CCOO. 600 Gewerkschafter haben ein Manifest unterschrieben, in dem sie zur Wahl von IU auffordern. Doch viele Mitglieder der einst kommunistischen Gewerkschaft werden ihre Stimme Zapatero geben, als "die nützliche Linke".
Llamazares will Zapatero eine Koalition anbieten, falls dieser - wie zu erwarten - keine absolute Mehrheit erreicht. Doch genau dieses Versprechen könnte IU am linken Rand weitere Stimmen kosten.
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