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Spanien steht im Halbfinale der EMDer zerbrochne Fluch

Der 22. Juni ist traditionell kein guter Tag für die spanische Nationalmannschaft. Doch am Sonntag kam alles anders: Spanien hat das Viertelfinale überstanden.

Gespannte Stimmung in Madrid: Spanische Fans am Sonntagabend. Bild: ap

WIEN taz Niemand weiß, ob sich der Heilige Paulinus, gestorben vor 1.577 Jahren, am Sonntag einen schönen Abend machte oder einfach friedlich in seinem Grab schlummerte. Iker Casillas, Torwart und Kapitän der spanischen Nationalelf, wusste nur, dass "es mal an der Zeit war", dass Sankt Paulinus an seinem Gedenktag Spaniens Elf in Ruhe ließ. Dreimal hatte Spanien an einem 22. Juni ins Elfmeterschießen gemusst, und wenn jemand sogar gegen die Engländer im Elfmeterschießen verliert, konnte nur eine übernatürliche Kraft am Werke sein.

Man wusste also, wie es ausgehen würde, als sich an diesem 22. Juni Italien und Spanien nach einem zähen 0:0 zum Elfmeterschießen bereit machten. Doch diesmal hatte Sankt Paulinus offensichtlich Besseres zu tun. Iker Casillas hielt die Elfmeter von de Rossi und di Natale, Spanien war nach 24 Jahren erstmals wieder im Halbfinale einer EM oder WM. Einer rief es in die Nacht: "Wir haben den Fluch gebrochen!" Es war aber nur König Juan Carlos auf der Tribüne. Die spanischen Fußballer würden nie so jubeln. Sie wollten sich nicht anstecken lassen vom Volksgefühl, dass bereits das Größte geschafft sei.

Wobei Trainer Luis Aragonés beim Versuch, die Freude zu zähmen, wieder einmal ein wenig über das Ziel hinausschoss. Als Fàbregas den Sieg mit dem fünften Elfmeter bestätigte, drehte sich Aragonés einfach um und verschwand im Stadionbauch, als müsse er die letzte U-Bahn erwischen. Später wurde er natürlich nach seinen Gefühlen gefragt. "Italien war schlecht, wir waren auch schlecht, wir haben dem Ball kein Tempo gegeben." Aber, Luis, die Gefühle! "Für das Land ist so ein Sieg wichtig. Für einen Trainer sind es nur die Hausaufgaben, erledigt. Ich bin ein ruhiger Mann, ob ich verliere oder gewinne, ich flippe nicht aus."

Tatsächlich sind die Resultate seiner Arbeit so ziemlich das Einzige, was Aragonés nicht aufbringt. Für die Italiener hatte er ein paar seiner einzigartigen Ratschläge übrig. Sie jammerten, dass Gennaro Gattuso wegen zweier Gelber Karten im Viertelfinale gesperrt war? "Gattuso ist doch kein großer Fußballer", erklärte ihnen Aragonés, "also, wenn Gattuso eure Referenz ist, dann bin ich ein Priester." Worauf Gattuso antwortete, er halte ja von der Homosexuellen-Ehe in Spanien gar nichts. Da war es für einen Moment doch noch das überfrachtete Duell zweier Länder, die sich so nahe sind, dass sie sich ständig sagen müssen, wie verschieden sie doch seien.

Doch sie machten aus der Rivalität ein ödes Spiel. Die Spanier behielten die Hoheit über den Ball, aber sie passten ihn aus Angst vor italienischen Kontern selten schnell und gewagt. Das Glück kommt zum Besseren, daran glauben Sportler. Wenn das wirklich so ist, dann wird es noch bis nächsten Sonntag bei Spanien verweilen.

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