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Spanien Zehntausende kommen zur Trauerkundgebung auf die Plaça de Catalunya. Bei zwei Anschlägen sind zuvor 14 Menschen getötet worden. Polizei vermutet sehr junge, erst kürzlich radikalisierte TäterBarcelona ruft sich Mut zu

von Reiner Wandler

No tinc por“ – „Ich habe keine Angst“ –, riefen zehntausende Menschen auf Katalanisch am Ende einer Schweigeminute, zu der sie sich am Freitag um 12 Uhr in Barcelona auf der Plaça de Catalunya eingefunden hatten. Die Stadtverwaltung sprach von 100.000 Teilnehmern. Es war die Reaktion auf die blutigen Anschläge von Barcelona am Donnerstag und Cambrils in der Nacht zum Freitag mit insgesamt 14 Todesopfern und rund 100 teils schwer Verletzten. Zu den Anschlägen hatte sich noch in der Nacht der Islamische Staat (IS) bekannt.

Unter den Versammelten befanden sich neben dem katalanischen Autonomiepräsidenten Carles Puigdemont und der Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau auch der spanische König Felipe VI. und Spaniens konservativer Premier Mariano Rajoy sowie die Vertreter von der Oppositionspartei Podemos und der sozialistischen PSOE.

Sie boten ein seltenes Bild der Einheit in dem seit Monaten über der Frage der Unabhängigkeit Kataloniens zerstrittenen Spanien.

Rajoy erklärte in einer Ansprache: „Ganz Spanien hat die gleichen Gefühle, die wir hier erleben.“ Er griff immer wieder zum Wort Einheit und bezog sich dabei auf Zusammenstehen gegen den Terrorismus, aber auch auf die nationale Einheit Spaniens und sprach sich damit einmal mehr gegen das geplante Referendum aus.

Es war der Tag nach einer Schreckensnacht, die in Spanien wohl keiner so schnell vergessen wird. Alles begann am Donnerstag kurz nach 17 Uhr. In Barcelona raste ein Lieferwagen einen halben Kilometer die in der Mitte der Flaniermeile Las Ramblas gelegene Fußgängerzone mit ihren Cafés und Kiosken entlang. Er fuhr Schlangenlinie und überrollte alles, was ihm in den Weg kam. Erst auf der Höhe des bekannten Theaters Liceu kam er zum Stehen. 13 Menschen verloren ihr Leben, über 80 wurden verletzt. Der Täter floh zu Fuß.

Augenzeugen berichteten von zahlreichen dumpfen Aufprallgeräuschen und durch die Luft geschleuderten Menschen. Fotos zeigten einen weißen Lieferwagen, dessen Front eingedrückt war. Der Kühler und die Motorhaube wurden bei der Terrorfahrt völlig zerstört. In den sozialen Netzwerken kursierten Videos, die schreckliche Szenen von blutüberströmten Menschen mit schmerzverzerrten Gesichtern zeigten. Unversehrte Passanten halfen ihnen spontan.

In der Nacht zum Freitag kam es im rund 100 Kilometer südlich gelegenen Mittelmeerort Cambrils zu einem ähnlichen Szenario – allerdings verhinderte hier die Polizei Schlimmeres. Sie erschoss fünf Angreifer, die mit Sprenggürtelattrappen in einem Lastwagen fuhren und später mit Messer auf Passanten losgingen. Sieben Menschen wurden verletzt, eine Frau verstarb später im Krankenhaus.

Die katalanische Polizei Mossos d’Esquadra verhaftete bis Freitagmittag vier Verdächtige. Der Fahrer des Lieferwagens von Barcelona soll nicht darunter sein. Die Polizei fahndet nach dem 17-jährigen Moussa Oukabir. Unter den Verhafteten befindet sich ein älterer Bruder.

Beide stammen aus einer nordafrikanischen Einwande­rer­familie und sind in Katalonien aufgewachsen. Die anderen Verhafteten stammen aus Marokko und aus Melilla, einer spanischen Exklave in Nordafrika. Dort wurden das Tatfahrzeug und ein für die Flucht gedachter Lieferwagen angemietet, der 100 Kilometer nördlich von Barcelona gefunden wurde. Laut Polizei könnte es weitere Komplizen geben.

„Ganz Spanien hat die gleichen Gefühle, die wir hier erleben“„Wir wollen mehr Mossos“

Ministerpräsident RajoyMenschen auf der Plaça de Catalunya

Die Mossos vermuten, dass die Täter sehr junge Menschen waren, die erst vor Kurzem radikalisiert wurden und deshalb nicht polizeibekannt waren. Nach dem Anschlag wurden Zitate des mutmaßlichen Täters aus den sozialen Netzwerken bekannt. Auf die Frage, was er tun würde, wenn er als absolutistischer König die gesamte Welt regieren würde, antwortete Oukabir: „Ungläubige töten.“

In der Presse wurde erste verhaltene Kritik am spanischen Innenministerium laut. Demnach soll die Zusammenarbeit zwischen der Innenbehörde in Madrid und der in Barcelona in den letzten Monaten fast völlig zum Erliegen gekommen sein. Der Grund: Die katalanische Autonomieregierung will am kommenden 1. Oktober ein Referendum über die Unabhängigkeit der nordostspanischen Region abhalten. Die Regierung Rajoy in Madrid bezeichnet diesen Versuch als verfassungswidrig.

Jetzt nach den Anschlägen rücken die Behörden erstmals wieder enger zusammen. Am Samstag soll ein Krisenstab einberufen werden. Zusammen mit Vertretern der Regierung in Madrid wollen die katalanischen Mossos d’Esquadra und die baskische Autonomiepolizei Ertzaintza die Sicherheitslage im gesamten spanischen Staat untersuchen.

Die Onlinezeitung Público kritisiert den spanischen Innenminister Juan Ignacio Zoido. Er habe den Mossos d’Esquadra den Zugang zum System über Bandenkriminalität und Terror verweigert und deren Beitritt zu Europol verhindert. Außerdem verhinderte Zoido die Aufstockung der Mossos d’Esquadra um 500 Beamte. Als König Felipe VI. und Premier Rajoy nach der Schweigekundgebung in Barcelona die Plaça de Catalunya verließen, riefen viele der versammelten deshalb: „Wir wollen mehr Mossos.“

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