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Spätfolgen nur für Patienten

■ UKE-Strahlenskandal: Der Direktor darf bleiben, und die Behörde will möglichst wenig Schmerzensgeld zahlen Von Patricia Faller

Seit gestern sitzt er wieder fest auf seinem Posten, der ärztliche Direktor des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE), Heinz-Peter Leichtweiß. Es sei nicht festzustellen gewesen, daß er von dem vier Jahre lang illegal betriebenen Therapiesimulator in der gynäkologischen Radiologie der Frauenklinik gewußt habe: Zu diesem Ergebnis kam eine von der Behörde eingesetzte Untersuchungskommission unter Staatsrat Hermann Lange, deren Bericht Wissenschaftssenator Leonhard Hajen gestern abend im Wissenschaftsausschuß der Bürgerschaft vorstellte. Noch im Februar hatte der Senator von einem gestörten Vertrauensverhältnis zu Leichtweiß gesprochen, weil dieser nicht maßgeblich zur Aufklärung der Vorfälle beigetragen habe. Die Kommission sollte prüfen, ob Leichtweiß seinen Aufgaben noch gewachsen sei.

Disziplinarische Vorermittlungen laufen aber weiterhin gegen den Leiter der gynäkologischen Radiologie Hans-Joachim Frischbier sowie den jetzigen und den früheren Leiter der Frauenklinik, Ludwig-Wilhelm Braendle und Heinrich Maaß. Der Kommissionsbericht, der vor allem das Kompetenz- und Verantwortungswirrwarr im UKE und in der Behörde kritisierte und Umstrukturierungen nahelegt, schließt aber nicht aus, daß weitere disziplinarrechtliche Schritte folgen werden.

Bereits am Dienstag (taz berichtete) hatte eine Expertenkommission festgestellt, daß aus dem Betrieb des veralteten Simulators keine Falschbehandlungen resultierten. Sie hatte darüber hinaus erklärt, daß bei der Bestrahlung von Patientinnen mit Gebärmutterhalskrebs im Frühstadium, die zuerst operiert und dann bestrahlt wurden, im Gegensatz zu Patientinnen im Spätstadium bei der Behandlung alles in Ordnung gewesen sei. Wissenschaftssenator Leonhard Hajen hatte daraufhin angekündigt, diese nicht in die Vergleichsverhandlungen einzubeziehen, sondern bis Juni zu prüfen, ob die Ärzte bei ihnen gegen ihre Aufklärungspflicht verstoßen haben.

Für PatientInnenanwalt Wilhelm Funke sind aber gerade diese frühen Gebärmutterkrebsstadien die gravierenderen Fälle: „Seit Anfang der 80er Jahre ist bekannt, daß nach einer Operation sanfter bestrahlt werden muß als bei einer alleinigen Bestrahlung.“ Sie machten auch den größeren Teil der Unterleibskrebspatientinnen aus, deren Akten bereits beim Landgericht liegen.

So wie der von Urte Griese-Asmussen. Ihr hatten die Ärzte im UKE gesagt, es sei nur ein kleiner Tumor im Anfangsstadium gewesen, der aber bei der Operation im September 1992 hätte vollständig entfernt werden können. Nur zur Sicherheit sollte die 45jährige in der gynäkologischen Radiologie bestrahlt werden. „Hätte mir damals jemand gesagt, daß es solche Komplikationen geben könnte, hätte ich dem nicht zugestimmt“, sagt sie heute.

Von Übelkeit, Kopfschmerzen und Juckreiz auf der Haut hatten die Ärzte als möglichen Nebenwirkungen gesprochen. Von Hautverbrennungen, die die Haut zuerst schwarz werden ließen, bis sie sich schließlich ganz ablöste, so daß Urte Griese-Asmussen weder sitzen noch liegen konnte und auf Empfehlung einer Ärztin „zu Hause“ keine Wäsche trug, war nicht die Rede. Auch vor ständigem Durchfall war sie nicht gewarnt worden oder vor möglichen Spätfolgen der sechsmonatigen Strahlentherapie.

Nach einem halben Jahr der Leiden wurden schwere Schäden diagnostiziert: „Meine Harnleiter waren durch die Bestrahlung beschädigt worden, der Urin staute sich in den Nieren und mein Blut war bereits vergiftet“, erzählt die 45jährige. Alle drei Monate muß sie seither ins Krankenhaus, weil die Behelfskonstruktionen, die den Urin abfließen lassen, ausgewechselt werden müssen. „Im Herbst steht noch eine große Operation bevor. Entweder wird da die Blase an die Niere oder die Niere weiter nach unten verlegt“, beschreibt Urte Griese-Asmussen, was ihr noch bevorsteht. „Das wird aber nie mehr so werden wie früher“, sagt die 45jährige resigniert. Jetzt klagt sie auf 60.000 Mark Schmerzensgeld.

Behördensprecher Tom Janssen erklärte die Diskrepanz zwischen den unterschiedlichen Einschätzungen gestern gegenüber der taz damit, daß den Gutachtern nur Akten von zehn Patientinnen vorgelegen haben, unter denen keine Fehlbehandlungen gewesen seien. Die Behörde werde aber prüfen, ob das bei den restlichen der Fall war und gegebenenfalls Vergleiche anstreben.

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