Später in die Schule: Senat zeigt Herz für Kinder
Rot-Schwarz nimmt die Frühsteinschulung zurück. Grüne loben das – Eltern sind nicht zufrieden. Zudem gibt es mehr Geld für Integrationslehrer und Schultoiletten.
Die Berliner Schulen und Hochschulen bekommen mehr Geld, 10.000 neue Kita-Plätze sollen bis Ende der Legislaturperiode 2017 entstehen – und die umstrittene Früheinschulung ab fünfeinhalb Jahre wird zurückgenommen. Die zentralen Beschlüsse der rot-schwarzen Senatsklausur in Punkto Bildung klingen allesamt wie Wohltaten, die jedes Elternherz erfreuen müssten.
Und doch sind ausgerechnet die Eltern teilweise unzufrieden: „Bei der Früheinschulung bestand aus Sicht der Kita-Eltern kein Änderungsbedarf, das ging von der CDU aus“, sagte Norman Heise, in Personalunion Vorsitzender des Landeselternausschuss (für Schuleltern) und des Landeselternausschuss Kita, am Freitag der taz. Das Problem sei nicht die Einschulung mit fünfeinhalb Jahren, sondern die schlechte Ausstattung der Grundschulen und das Hin und Her beim Jahrgangsübergreifenden Lernen (JÜL), das den Kindern den Übergang von Kita zu Schule eigentlich erleichtern sollte. „Es wäre besser, JÜL endlich verbindlich umzusetzen“, so Heise.
Am Donnerstag hatte der Senat beschlossen, das Schulgesetz zu ändern, so dass ab dem Schuljahr 2017/18 alle Kinder eingeschult werden, die bis zum Stichtag 30. September sechs Jahre alt werden. Für 2016/17 soll eine Übergangsregelung gelten, nach der Eltern bei der Schuleingangsuntersuchung einfach ankreuzen können, ob ihr Kind zurückgestellt werden soll. Bislang werden Kinder schulpflichtig, wenn sie bis zum 31. Dezember sechs Jahre alt werden – was bei einem Schulanfang im Juli eben auch Fünfeinhalbjährige betrifft. Allerdings gab es immer die Möglichkeit für Eltern, ihr Kind zurückstellen zu lassen, was in den letzten Jahren zunehmend in Anspruch genommen wurde. Nur war dies mit bürokratischem Aufwand verbunden: Der Schularzt musste die Rückstellung bestätigen, ebenso die Kita. Dennoch wurden zuletzt rund 16 Prozent der Kinder eines Jahrgangs zurückgestellt.
Für die CDU war dies ein wichtiges Argument für ihre Forderung, die Früheinschulung, die 2006 von Rot-Rot zusammen mit JÜL eingeführt worden war, zurückzunehmen. Erst im Dezember hatte Fraktionschef Florian Graf eine repräsentative Umfrage vorgestellt, nach der eine Mehrheit der Berliner Eltern dafür sei, Kinder erst mit sechs Jahren in die Schule zu schicken. Allerdings hatte die CDU den 31. Juli als Stichtag gefordert – der 30. September ist ein Kompromiss, den vor einiger Zeit die Grünen ins Spiel gebracht hatten.
Entsprechend zufrieden zeigte sich am Freitag die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion, Stefanie Remlinger: „Wir begrüßen das als moderaten Mittelweg“, sagte die Grüne der taz. Nach ihrer Einschätzung ist der damit verbundene Mehrbedarf an Kita-Plätzen zu stemmen.
Bei der Bildungsverwaltung hat man noch gar nicht ausgerechnet, wie viele Kita-Plätze fehlen, wenn etwa ein Viertel eines Schuljahrgangs länger in der Kita bleibt als bislang. „Wir müssen gucken, wie sich die neue Regelung auswirkt, dann werden wir den Kita-Ausbau entsprechend anpassen“, sagte der Sprecher von Bildungssenatorin Sandra Scheres (SPD) für Kita-Belange, Ilja Koschembar.
Zu diesem Punkt beschloss Rot-Schwarz, in den kommenden zwei Jahren 10.000 weitere Kita-Plätze zu schaffen. Kostenpunkt: rund 20 Millionen Euro. Der Mehrbedarf an Kita-Plätzen war bislang ein zentrales Argument von Scheres gegen die Rücknahme der Frühförderung. Mit der Übergangsregelung habe man nun aber genügend Zeit, die Kita-Infrastruktur auszubauen, so Beate Stoffers, Scheres Sprecherin für den Schul-Bereich.
Dass die SPD in diesem Punkt eingelenkt hat, beruht offenbar auf einem Gegengeschäft: Die CDU stimmte dafür am Donnerstag wie erwartet der so genannten Umwandlungsverbotsverordnung zu, die es erschweren soll, aus Mietwohnungen Eigentumswohnungen zu machen.
Die Kritik des Landeselternverband-Kita zielt darauf, dass viele Eltern zwar in der Tat verunsichert seien, dies aber nicht am frühen Einschulungsalter liege, sondern daran, dass die Grundschulen unterausgestattet seien und daher nicht als geeigneter Ort für jüngere Kinder angesehen würden, erklärte LEAK-Vorstand Heise. So gebe es nicht mehr die ursprünglich bei JÜL vorgesehenen zwei Lehrer in den ersten Klassen, die den Kleinsten den Schuleinstieg erleichtern könnten.
Ähnlich sieht man es bei der GEW. „In der Wahrnehmung der Eltern sind die Grundschulen nicht der richtige Ort für die kleineren und jüngeren Kinder“, so Sigrid Baumgardt, Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft. Aber statt dies zu verbessern, verschiebe man nun die Qualitätsfrage auf die Kitas – dort würden demnächst noch viel mehr Erzieher und Plätze fehlen, befürchtet sie.
Neben der späteren Einschulung beschloss Rot-Schwarz, wie die rund 66 Millionen Euro Bafög-Mittel zu verwenden sind, die in den kommenden Jahren frei werden, weil der Bund künftig allein die Ausbildungsförderung bezahlt. Davon würden 11 Millionen in 2015 und 16 Millionen in 2016 für zusätzliche 240 Integrationslehrer ausgegeben, 32 Millionen Euro für die Hochschulen, 12 Millionen für die Sanierung der Schultoiletten und der Rest für „weitere Mehrbedarfe“, erklärte Scheres Sprecherin Stoffers.
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