Sozialplan für Umbau bei Karstadt: Weniger Kündigung als befürchtet
Bei den Sanierungsvorhaben des Kaufhauskonzerns zeichnet sich eine Einigung mit dem Betriebsrat ab. Die Eckpunkte eines Sozialplans stehen.
ESSEN dpa | Es waren schwierige Verhandlungen bei Karstadt. Monatelang feilschten der Gesamtbetriebsrat der angeschlagenen Warenhauskette und die Konzernführung über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan für die von Filialschließungen und Kündigungen betroffenen Mitarbeiter.
Zeitweise hätten die Gespräche kurz vor dem Scheitern gestanden, berichtete am Wochenende der Gesamtbetriebsrat. Von „harten und intensiven Verhandlungen“ sprach der Konzern. Doch am Ende stand ein für beide Seiten akzeptabler Kompromiss.
„Wir sind mit dem Ergebnis unter den gegebenen Umständen sehr zufrieden“, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Hellmut Patzelt am Samstag nach dem Abschluss der Gespräche. Dem Betriebsrat sei es in den Verhandlungen mit der Konzernspitze gelungen, die Zahl der geplanten Kündigungen – etwa durch Altersteilzeit und Vorruhestandsregelungen – fast zu halbieren: von 2.750 auf 1.400. Für die dennoch von Kündigungen Betroffenen soll eine Transfergesellschaft eingerichtet werden, um sie weiterzuqualifizieren.
Auch im Streit um die laut Betriebsrat geplante „Abgruppierung“ von fast 2.000 Verkäufern zu deutlich schlechter bezahlten Regaleinräumern erreichte der Betriebsrat mit Hilfe einer Einigungsstelle einen für die Mitarbeiter erträglichen Kompromiss.
Abfindungen vereinbart
Zwar wird es künftig auch bei Karstadt eine Unterscheidung zwischen Mitarbeitern im Verkauf und schlechter bezahlten Serviceteams für die Warenversorgung geben. Auf Änderungskündigungen und Abgruppierungen bei vorhandenen Mitarbeitern will der Konzern aber verzichten. Karstadt setzt hier nach eigenen Angaben jetzt auf Freiwilligkeit und Fluktuation.
„Unser Ziel – die Einrichtung einer Transfergesellschaft und die Verhinderung von Abgruppierungen – haben wir erreicht. Und selbstverständlich haben wir auch Abfindungen vereinbart“, zog Hellmut Patzelt denn auch eine positive Bilanz.
Doch auch die Karstadt-Spitze zeigte sich zufrieden. Mit dem Kompromiss sei das Unternehmen bei den Sanierungsbemühungen einen entscheidenden Schritt weiter gekommen, betonte der Konzern. Man liege nun „hundertprozentig im Zeitplan der erforderlichen Sanierung“.
Tatsächlich ist mit der Einigung nun der Weg frei für den vom neuen Karstadt-Chef Stephan Fanderl geplanten Stellenabbau im Essener Traditionsunternehmen. Der ist durchaus einschneidend. Zusätzlich zur Schließung von sechs Standorten mit insgesamt 350 Beschäftigten soll nach Betriebsratsangaben gut jede zehnte Stelle in den Filialen und jede vierte in der Zentrale abgebaut werden.
Nicht das letzte Wort
Für den Handelsexperten Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ist die Einigung der „aktuell vielleicht wichtigste Schritt zur Verbesserung der Kostenstruktur von Karstadt“. Eine zentrale Voraussetzung für die Sanierung sei damit erreicht. Entscheidend werde jedoch am Ende sein, ob es dem Konzern nun auch gelinge, die Umsatzrückgänge zu stoppen und wieder bessere Geschäfte zu machen.
Das letzte Wort bei dem Umbau des angeschlagenen Traditionsunternehmens dürfte der so mühsam erarbeitete Kompromiss allerdings nicht gewesen sein. Denn Konzernchef Fanderl hatte schon im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass es bei der bislang angekündigten Schließung von sechs Filialen wohl nicht bleiben werde. Bei weiteren acht bis zehn Geschäften wolle man individuelle Lösungen suchen. „Wir sprechen etwa mit den Vermietern, ob es alternative Nutzungen für den Standort gibt und eine Chance besteht, früher aus den laufenden Mietverträgen herauszukommen“, sagte der Manager damals dem Handelsblatt.
Für die Gewerkschaft Verdi hat deshalb bei den Tarifverhandlungen für die Warenhauskette die Forderung nach Standort- und Beschäftigungsgarantien weiter Vorrang. Schon am kommenden Dienstag soll zwischen den Tarifpartnern wieder verhandelt werden.
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