Sozialminister Schleswig-Holsteins: "FDP kann nicht nur Wirtschaft"
In Schleswig-Holstein wollen die Freidemokraten zeigen, dass ihnen auch Pflege und Integration wichtig sind, sagt der künftige Sozialminister Heiner Garg.
taz: Herr Garg, Sie werden in der Kieler Regierung für Soziales, Gesundheit und Arbeit zuständig sein. Ist das ein Traumjob für einen FDPler mit Doktortitel in Wirtschaft?
Heiner Garg: Ob ein Ministeramt ein Traumjob ist, wird sich zeigen. Aber wenn, sind es für mich genau diese Bereiche. Ich habe mich im Studium mit den Sozialsystemen beschäftigt, meine Doktorarbeit über die Blümsche Gesundheitsreform verfasst und war im Kieler Landtag wissenschaftlicher Mitarbeiter für Soziales. Als ich 2000 Abgeordneter wurde, habe ich gleich gesagt, dass ich in der Fraktion den Sprecher für Soziales mache.
Wollten Sie eine Lücke besetzen, in der die FDP traditionell nicht so stark ist, oder gibt es ein persönliches Interesse?
Erstens ist das Soziale kein Nebenthema, es ist ein Fundament und der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Dass es einen fairen sozialen Ausgleich geben muss, ist auch in der FDP unumstritten. Zweitens war meine Mutter Altenpflegerin, ich kenne diesen Knochenjob daher gut. Und drittens ist da die verstorbene frühere SPD-Sozialministerin Heide Moser, die ich als großes politisches Vorbild betrachte.
Die FDP hat sich drei Ministerien gesichert, aber Wirtschaft und Finanzen sind in CDU-Hand. Wollte die Union nichts abgeben, oder passt es Ihnen ganz gut, dass die Verantwortung für HSH Nordbank und Haushalt bei der CDU bleibt?
Wir haben die Zukunftsressorts: Bildung, Soziales und Arbeit sowie Justiz, erweitert um Integration. Man sollte Abschied nehmen von dem Klischee, die FDP könne nur Wirtschaft.
In Schleswig-Holstein muss gespart werden. Ins Sozialressort fallen viele sogenannte freiwillige Leistungen für Beratungs- und Hilfsangebote. Wird es da Kahlschlag geben?
Es hat keinen Sinn, einen Haushalt über Kahlschlag im sozialen Bereich zu sanieren. Sicher werden wir versuchen, Mittel effizienter einzusetzen. Vor allem finde ich wichtig, dass Vereine und Verbände Planungssicherheit haben. Ich könnte mir einen Vertrag vorstellen, der für mehrere Jahre Zuschüsse garantiert.
Welche Weichen wollen Sie sozialpolitisch stellen? In den Koalitionsvertrag haben Sie Inklusion hineingeschrieben, also die Öffnung der Gesellschaft für alle Gruppen. Ist das überhaupt zu erreichen?
Ich wünsche mir mehr Dampf dahinter. Ich stehe dafür, dass die Gesellschaft Gruppen wie Menschen mit Behinderung nicht nur duldet, sondern einbezieht: Die Gesellschaft lebt von der Buntheit. Generell sollte Sozialpolitik kein Reparaturbetrieb für gesellschaftliche Verwerfungen sein, sondern viel präventiver arbeiten.
Thema Pflege: Hier hat der Medizinische Dienst gerade schlechte Noten gegeben.
Es ist bedauerlich, dass Pflege nur dann in den Fokus rückt, wenn Missstände beklagt werden. Natürlich muss man Fehler aufdecken, aber wie Heide Moser sagte: Qualität lässt sich nicht in Heime hineinkontrollieren. Es muss Ziel sein, das Ansehen der Pflegeberufe, die Ausbildungs- und Aufstiegschancen zu verbessern. Hier lässt sich auf Landesebene viel tun.
Die Atomaufsicht, die bisher zum Sozialministerium gehörte, sind Sie los. Sind Sie froh darüber?
Ich hätte sie ungern behalten. Sie gehört nicht ins Sozialministerium, sondern zu Wirtschaft, vielleicht zu Umwelt oder eben Justiz, da es um rechtliche Fragen geht. In einer Koalition muss man auch die unangenehmen Aufgaben teilen, also hat das CDU-Wirtschaftsressort die HSH zu beaufsichtigen und das FDP-Justizministerium die Atomkraftwerke.
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