Sozialleistungen: Zuschüsse auf Sparflamme
Der Landkreis Celle zahlt die Heizkosten von Hartz-IV-Empfänger nur in einer Höhe, die er für "angemessen" hält. Deshalb ziehen viele Leistungsempfänger vor Gericht - und bekommen meist Recht.
Hartz-IV-Empfängern in Celle steht ein kalter Winter bevor. Sie bekommen nicht die kompletten Heizkosten erstattet, sondern teilweise nur die Hälfte. Denn seit es Hartz IV gibt, wird der Zuschuss zu den Heizkosten gedeckelt. Laut Sozialgesetzbuch II sollen die Kosten eigentlich "in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen" übernommen werden - aber nur, "soweit diese angemessen sind". Und da liegt das Problem: Was letztlich angemessen ist und was nicht, darüber entscheidet jeder Landkreis selbst. So wie der Landkreis Celle.
"Celle verwendet ein völlig untaugliches Heizkostenberechnungsprogramm", sagt Horst-Peter Ludwigs von der niedersächsischen Landesarmutskonferenz. "Dabei kommen abenteuerliche Dinge raus." Als Grundlage dienten etwa die Wohnfläche oder die Größe der Fenster. Die so kalkulierten Sätze würden der Situation der Leistungsempfänger aber nicht gerecht. Der Landkreis konnte zu der genauen Berechnungsgrundlage bis Redaktionsschluss keine Angaben machen. Die taz-Anfrage wurde jedoch weitergeleitet.
Laut einem Bescheid des Landkreises bekam eine vierköpfige Familie nur einen Zuschuss von knapp 30 Euro, obwohl sie Heizkosten von 70 Euro pro Monat hat. Grundlage der Entscheidung: Die Wohnung sei mit 120 Quadratmetern "unangemessen groß", heißt es in dem Schreiben. Der Höchstbetrag für einen Vierpersonenhaushalt liege bei 29,86 Euro.
Zum Vergleich: Laut dem aktuellen Heizspiegel des Deutschen Mieterbundes kostete 2008 im bundesweiten Durchschnitt das Beheizen einer 70-Quadratmeter-Wohnung mit Heizöl etwa 880 Euro im Jahr. Pro Monat wären das gut 70 Euro -also der Betrag, den die Familie verbraucht hat.
Zu konkreten Einzelfällen wolle man sich nicht äußern, sagte Landkreis-Sprecher Ulf Keller auf Anfrage. Man spare aber nicht an den Ausgaben für Sozialleistungen, sondern vergebe Leistungen "im gesetzlich vorgesehenen Rahmen". Bei Unklarheiten könnten Bürger sich jederzeit an die Ansprechpartner beim Landkreis wenden.
Ludwigs sieht das anders. Er vermutet, der Landkreis wolle auf Kosten der Leistungsempfänger die Ausgaben senken. Klagen beim Sozialgericht hätten aber meist Erfolg, erklärt Ludwigs. "Denn das Gericht bestätigt immer wieder: Es sind viele Faktoren, die zu berücksichtigen sind und sich nicht in so ein pauschales Programm integrieren lassen." Damit meint er etwa den Kostenanstieg bei Gas und Öl. Zudem seien die Unterkünfte der Leistungsempfänger nicht gut isoliert, da sie in billigen Wohnungen leben müssten. Und Arbeitslose würden sich länger zu Hause aufhalten, müssten daher also auch mehr heizen.
Bestätigt haben dies Sozialgerichte von Lüneburg bis Chemnitz in mehreren Urteilen. Die weitgehend übereinstimmende Begründung: Der Heizkostenzuschuss könne nicht pauschal festgelegt werden.
In Niedersachsen seien rund 50 Prozent der Hartz-IV-Empfänger von dieser Art der Berechnung betroffen, erklärt Ludwigs. Die Klagen von Hartz-IV-Empfängern in Niedersachsen haben von rund 25.000 im Jahr 2004 auf etwa 40.000 zugenommen.
Immerhin liefert der Landkreis Celle in seinem Schreiben an die Leistungsempfänger gleich die passende Lösung: "Die Senkung der Raumtemperatur um ein Grad führt zu einer Energieersparnis von etwa sechs Prozent." Wer nicht blechen will, muss frieren.
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