: Sozialhilfe verteidigt
■ Bundesbank forderte Minderungen der Regelsätze. Protest der Verbände
Berlin (taz/dpa) – Wohlfahrtsverbände und die SPD protestierten gestern gegen die Forderung der Bundesbank, die Sozialhilfe zu kürzen. „Die Äußerungen zur Sozialhilfe zeigen wenig Sachkenntnis“, sagte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ottmar Schreiner, gestern in Bonn. „Das Problem sind sechs Millionen fehlende Arbeitsplätze und nicht etwa fehlende Arbeitsbereitschaft von Sozialleistungsbeziehern“, betonte er.
Nach Ansicht des finanzpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Joachim Poß, zieht die Bundesbank die falschen Schlüsse. Wer die Unterschiede zwischen Nettoeinkommen und Sozialhilfe vergrößern wolle, müsse gerade Arbeitnehmer mit geringen und mittleren Einkommen von Steuern und Sozialabgaben entlasten und nicht etwa in die Sozialhilfe einschneiden.
Die Bundesbank hatte im jüngsten Monatsbericht darauf hingewiesen, daß die Sozialhilfe für eine Alleinerziehende mit Kind in einigen Branchen knapp an den untersten Lohngruppen liege. Eine Alleinerziehende mit Kind hat laut Bundesbank ein Anrecht auf 1.828 Mark Sozialhilfe. Bei einer Vollzeittätigkeit in der hessischen Gastronomie käme diese Alleinerziehende auf ein verfügbares Einkommen von nur 1.896 Mark.
Durch diesen nur geringen Abstand würden die Anreize zur Arbeitsaufnahme beeinträchtigt, schloß die Bundesbank. Im Rahmen einer Reform sollten die Regelsätze der Sozialhilfe hinter der Entwicklung der Nettoarbeitsverdienste zurückbleiben. In einer von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen früheren Studie war allerdings belegt worden, daß das Lohnabstandsgebot in der Regel eingehalten wird.
Schreiner sagte dazu: „Wenn die Deutsche Bundesbank sich endlich ihrer geld- und währungspolitischen Aufgabe stellen würde, statt davon abzulenken durch unseriöse Polemik, wäre schon viel für den Beschäftigungsstandort Deutschland erreicht.“ Der Paritätische Wohlfahrtsverband in Frankfurt erklärte, für den von der Bundesbank gerügten geringen Abstand seien die „beschämenden Hungerlöhne“ in Gastronomie und Einzelhandel und der unzureichende Familienlastenausgleich verantwortlich.
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