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■ beiseiteSozialer Beat

Wozu braucht man Männer? Damit man nicht allein unter Frauen ist? Wäre ein Argument. Doch die Frage ist komplizierter: Wozu braucht man Männer in Kneipen? Männer, die tranig trinken, schwurbelig schwadronieren, am Ende gar noch dichten? Die schlecht geschriebenes Zeugs in schlechten Bars schlecht vortragen – so, wie es im Social Beat, der Bewegung flachpfeifiger Nachwuchsliteraten, die Regel ist? Bausatz-Bastel-Lyrik von devianten Dilettanten von der Bühne gelallt, gehaspelt und gestammelt? Will man als anständige Person ja nichts mit zu tun haben. Soll doch das ganze Underground-Gekasper die Literaturwissenschaft holen! Von wegen Bierdose, Burroughs und Berlin.

Man brauchte smarte Jungs, die so tun, als wären sie Männer – um das weinerliche Wesen des Social Beat samt seinen Vollsuffphantasien von der Theke zu wischen. Also stolze Versager, die aus den kleinen Horrorgeschichten große Scherze machen.

Jaromir Konecny ist so ein starker Schwächling, der es fertigbringt, sein Publikum mit lustigsten Lächerlichkeiten zu rocken. Der Münchner Exiltscheche wirft sich in seinen Büchern in Robert-Crumb-Manier von einem Sexdesaster in die nächste Liebeslangeweile und breitet eine knallig-banale Nichts- klappt-Prosa aus. Das liest sich berauschend anstrengunslos. Liest er selbst, lebt der Saal auf. Denn da kapieren dann alle, daß Männer viel idiotischer sind, als sie je zu klagen wagten.

Zusammen mit Konecny liest Jan Off, Konecnys wichtigster Konkurrent im Social Beat: Beide haben schon diverse Poetry Slams gegeneinander gewonnen. Live zündet er wie der Tscheche – mit anderen Geschichten auf der Zunge. Er ist klassischer Punkrock, der Titel seines verwegenen neuen Büchleins könnte auch eine Platte zieren: „Köfte“. Im Gegensatz zu Konecny performt er keine tragischen Ich-Erzählungen, sondern surreal-schmierige Proll-Parabeln vom Untergang des Abendlandes. Letzte Bubi-Idole wie Elvis, Mike Tyson, Harald Juhnke werden von ihm endgültig für superpeinlich erklärt. Als hocheleganter literarischer Schlägertyp tritt Off gängige Männerwitze in die Tonne, diese ganze verquaste Kettenraucherromantik und Schau-mir-auf-die-Schmalzlocke-Blödigkeit. Das nennt er dann die „neue Braunschweiger Sonderschule“.

Als Support liest der nette Holm Friebe, der anscheinend nie kapieren wird, daß er nichts zu sagen hat. Was auch irgendwie paßt. Offizieller Anlaß ist der Abschied von „Kaleidoskop“, einem weiteren müden Fanzine, das sein Erscheinen einstellt. Was gut so ist. Noch besser ist der wahre Anlaß dieses Abends: echte Rührung über Konecny und Off. Alexander Müller

„Aufhören gilt nicht“: Heute, 23 Uhr, Roter Salon, Volksbühne

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