Soziale Medien im Alter: Keine Storys, keine Entzugserscheinungen
Ältere sind im Vorteil. Denn anders als für die Digital Natives ist für sie ein Leben ohne soziale Medien vorstellbar.
S eit den neuen Bestimmungen bei Facebook/Meta und Instagram und Mark Zuckerbergs Anbiedern bei Trump finden sich täglich mehr oder weniger theatralische Ankündigen auf diesen sozialen Plattformen: „Tschüss, Ich gehe! Ohne mich! Ich verlasse diesen Ort! Auf Nimmerwiedersehen!“
Andere erklären, warum sie noch nicht bereit sind auszusteigen. Wieder andere fühlen sich hin- und hergerissen, weil sie es politisch richtig fänden, den Konzernen nicht noch mehr Bilder und Daten zu liefern, aber doch auch so viel Gutes und echte Freundschaft hier gefunden hätten. Und sehr wenige geben zu, dass sie auf Insta ihre Influencerinnen-Existenz aufgebaut haben und nicht mehr zurück können.
Dabei würde doch ein Verzicht so viel bringen! Weniger vertrödelte Zeit, die dabei draufgeht, sinnlose Inhalte anzuschauen – eine Tätigkeit, die, das haben britische Forscher erforscht, zum gefürchteten Brainrot – zur Gehirnfäule – führt. Wir Älteren sind da im Vorteil, denn anders als für die Digital Natives ist für uns ein Leben ohne soziale Medien vorstellbar. Wer sich aber von der Jugend an dort ausgedrückt und vernetzt hat, ist arm dran.
Bei Insta setzen die emporzüngelnden Flammen und aufsteigenden Herzen, die die Beliebtheit eines geposteten Beitrags anzeigen, Dopamin beim Betrachter frei – schlimme Entzugserscheinungen drohen.
Die Insta-Ächtung könnte aber auch zu einem besseren Miteinander der Generationen führen, wenn unsere jüngeren Mitmenschen weniger auf ihre Handys starren, weil sie etwas posten, Fotos, Storys, Beiträge und Reels machen müssen. Aber das ist unwahrscheinlich – es wird sich schnell ein zeit- und aufmerksamkeitsfressender Ersatz finden.
Wie bleiben wir vernetzt?
Der Ausstieg oder Untergang von Facebook wird hingegen als problemlos beschrieben, denn Facebook ist eh over. Da sind ja nur noch wir Ältere, da gibt es weniger aufregende Inhalte, weniger Welpen-Busen-Babybilder, Tradwives, Fitnesschallenges, Wechseljahrsinfluencerinnen, Männlichkeitscoaches, Anzieh-Achtsamkeits-Dating-Ernährungstipps.
Facebook hat einerseits etwas beruhigend Altmodisches, weil dort auch längere Texte auftauchen und ausführlichere Diskussionen stattfinden können.
Aber zur Höchstform läuft Facebook eigentlich nur noch bei Todesfällen auf, und die kommen bei älteren Menschen leider vermehrt unter Facebookfreunden und Bekannten vor.
Als ältere Person öffnet man immer wieder nichtsahnend die Seite und es erscheint ein Foto einer Nachbarin, eines alten Bekannten, einer Musikerkollegin. Darunter erscheinen Beileidsbekundungen, es werden Erinnerungen, Artikel und Fotos geteilt, Fassungslosigkeit zum Ausdruck gebracht.
Inzwischen werden aber auch immer mehr Tiertode angezeigt. Eine eigentlich erwachsene, intelligente Freundin vermeldete letztens ihr Kater sei „über die Regenbogenbrücke gegangen“. Besagte Brücke war im Hintergrund abgebildet. Zeit zu gehen. Aber wie bleiben wir nach der Trennung von Facebook und Insta weiter vernetzt? Zurück zum Newsletter und Rundmails? Telefonketten? Sms-Ketten? Flyer? Litfaßsäulen?
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