Soziale Lage: Unternehmerin aus Not
MigrantInnen machen sich immer häufiger selbständig, weil sie auf dem ersten Arbeitsmarkt diskriminiert werden, sagt die Arbeitnehmerkammer.
Als GemüsehändlerIn, InhaberIn eines Copyshops oder mit medizinischen Dienstleistungen – viele MigrantInnen in Bremen machen sich selbstständig. Die Bereitschaft, das unternehmerische Risiko auf sich zu nehmen, steigt bei ihnen im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung. Eine „Ausweichstrategie“, sagt Thomas Schwarzer, Referent für kommunale Sozialpolitik bei der Arbeitnehmerkammer. Denn der nun vorgelegten „Bericht zur sozialen Lage 2012“ der Arbeitnehmerkammer hat die Situation von MigrantInnen in Bremen zum Schwerpunkt und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Auf dem Arbeitsmarkt in Bremen sind Menschen mit Migrationshintergrund nach wie vor benachteiligt.
„Das Ziel gleicher gesellschaftlicher Teilhabe ist noch nicht erreicht“, sagt Ingo Schierenbeck, Geschäftsführer der Arbeitnehmerkammer. Die Arbeitslosigkeit ist bei AusländerInnen in Bremen doppelt so hoch wie bei Deutschen – die Bundesagentur für Arbeit will „Migrationshintergrund“ als statistisches Merkmal erst ab 2013 ausweisen, für Deutsche mit Migrationshintergrund liegen deshalb oft keine Zahlen vor. Arbeit aber „schafft soziale Kontakte und wirkt Isolation und Ausgrenzung entgegen“, so Schierenbeck. Unter den fast 20.000 AusländerInnen, die eine sozialversicherungspflichtige Stelle haben, ist wiederum das Armutsrisiko deutlich erhöht. Viele verdienen nur wenig, sind in der Gastronomie, als LagerarbeiterInnen oder als LeiharbeiterInnen beschäftigt sind. Die Tendenz, trotz Arbeit arm zu bleiben, gilt für alle BremerInnen, allerdings hat nur die Hälfte der MigrantInnen einen Berufsabschluss, der in Deutschland anerkannt ist.
Mit geringerer Qualifikation allein könne man die Benachteiligung von MigrantInnen jedoch nicht erklären, so Schierenbeck: „Fast jede dritte Stelle in Deutschland wird über persönliche Bekanntschaften vermittelt.“ – Das macht es schwierig für Menschen, die erst seit kurzem im Land leben. Außerdem seien MigrantInnen häufig qualifiziert, ihre Berufsabschlüsse aber würden nicht anerkannt. Und: „Viele scheitern an den Vorurteilen“, so Schierenbeck.
Sein Kollege Schwarz betont, dass die Sprachförderung für Kinder ausgebaut werden müsse. Kinder, bei denen ein Förderbedarf festgestellt wird, bekommen in Bremen zwei zusätzliche Stunden Sprachförderung im letzten Jahr vor der Einschulung. „Das reicht nicht, man holt das nicht einfach so auf“, sagte Schwarz. Zumal SprachforscherInnen darauf hinweisen, dass Kinder Sprachen am besten bis zum Alter von vier Jahren lernen.
Um die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse zu erleichtern, haben sich Arbeitnehmerkammer, Handelskammer und Wirtschaftsressort schon vor einigen Woche zusammengetan und eine gemeinsame Beratungsstelle eingerichtet. Im Bildungsressort wiederum soll bis zum Herbst ein Gesetz erarbeitet werden, welches die verbindlicheren Regelungen, die im Bund seit April gelten, auch auf Landesebene verankern. Ab Dezember soll über die Anerkennungen jener ausländischer Abschlüsse, für die Bremen zuständig ist, innerhalb von drei Monaten entschieden werden. Das betrifft etwa ErzieherInnen oder LehrerInnen.
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