■ Wohnungen für Notstandsfälle: Soziale Arbeitsteilung
Nein, er hat gestern keine Pressekonferenz gegeben, um auf Mißstände hinzuweisen und doch nichts zu unternehmen. Weder hat Bau- und Mediensenator Wolfgang Nagel die neue Zweckentfremdungsverbotsverordnung gegen Wohnungsleerstand auf den Weg gebracht. Noch hat er, wie es woanders bereits der Fall ist, ein Recht auf Mietermodernisierung gefordert, um so wenigstens teilweise der Vertreibung durch Luxusmodernisierungen zuvorzukommen. Um die Situation von Mietern und Wohnungslosen, so scheint es, sorgt sich in der großkoalitionären Arbeitsteilung allein die Sozialsenatorin. Ingrid Stahmers „geschütztes Marktsegment“, gewiß nur ein Tropfen auf den heißen Stein, ist dennoch ein Schritt in die richtige Richtung. Die Senatorin hat glaubhaft gemacht, daß für sie Obdachlosigkeit und Unterbringung in Läusepensionen nicht der Normalzustand einer Metropole ist, die sich um Investoren bemüht, ihre BewohnerInnen dagegen dem freien Spiel der Kräfte aussetzt. Nun liegt es an Nagel und den Bezirken, sich nicht länger hinter bürokratischen Verordnungen zu verstecken. Statt Kältetoten und frostigen Politikern, statt Klagen über Läusepensionen und Lob über die Feuerwehrrolle der karitativen Einrichtungen könnte der kommende Winter durchaus andere Schlagzeilen machen: Beschlagnahme illegal leerstehender Wohnungen, Zwischennutzung bei Modernisierungsleerstand, offensive Hilfestellung der Sozialämter bei Mietschulden und Räumungsklagen. Es entspricht schon fast der Zynik der herrschenden Politik, darauf hinweisen zu müssen, daß die Verhinderung von Obdachlosigkeit überdies billiger kommt als die Unterbringung in privaten Pensionen. Uwe Rada
Siehe Bericht Seite 18
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