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Sozialdemokraten und die Rente„Solidarrente“ und höhere Beiträge

Der SPD-Vorstand nickt das Konzept zur Alterssicherung von Parteichef Gabriel ab. Das heikle Thema Rentenniveau wurde vorerst allerdings ausgeklammert.

Die SPD will in Zukunft eine „Solidaritätsrente“ einführen. Bild: dapd

BERLIN taz | „Wir hatten eine leidenschaftlich geführte Debatte“, sagt Sigmar Gabriel. Der Parteichef der SPD kommt gerade aus der Sitzung des Vorstands, der mit großer Mehrheit sein Rentenkonzept verabschiedet hat. Nur zwei Genossinnen haben dagegen gestimmt, eine hatte sich enthalten. Allerdings: Eine Antwort auf die Streitfrage, wie hoch das Rentenniveau künftig sein soll, gibt es noch nicht. Bis zum SPD-Parteikonvent am 24. November soll ein neuer Vorschlag erarbeitet werden. Über alles weitere herrscht Einigkeit.

Wichtige Punkte des SPD-Rentenkonzepts: Versicherte, die mindestens 30 Jahre lang ihre Beiträge eingezahlt haben, erhalten zumindest eine steuerfinanzierte „Solidarrente“ nicht unter 850 Euro brutto. Die Kosten dafür bezifferte Gabriel auf rund 6 Milliarden Euro. Die betriebliche Altersversorgung, finanziert durch ArbeitnehmerInnen, wird ausgebaut. Wer 45 Versicherungsjahre hinter sich hat, soll ohne Abschläge in Rente gehen können. Dieser Vorschlag der „abschlagsfreien“ Rente soll 5,4 Milliarden Euro kosten.

Auch für Erwerbsgeminderte verspricht das SPD-Konzept Verbesserungen: Sie dürfen laut dem Konzept ohne Abschläge in Rente gehen. Außerdem werden die sogenannten „Zurechnungszeiten“ verlängert und die letzten Jahre besser bewertet, was faktisch auf eine Erhöhung der Erwerbsminderungsrenten hinausläuft. Dies schlägt mit 7 Milliarden Euro zu Buche. Gabriels Vorschläge sind nicht billig.

Schrittweise Erhöhung

Auf die bislang vorgesehene kurzfristige Absenkung der Beitragssätze für die Rentenkasse soll daher verzichtet werden. Stattdessen sollen die Beiträge von derzeit 19,6 Prozent schrittweise auf 22 Prozent des Bruttolohns erhöht werden. Arbeitgeber sollen künftig mehr in die Rentenkasse einzahlen, wenn sie wenig altengerechte Arbeitsplätze anbieten.

Aufgeschoben ist der Konflikt in der Partei um die Absenkung des Rentenniveaus: Dessen Höhe soll nach geltendem Recht von bisher 50 Prozent des Nettolohns vor Steuern auf 43 Prozent im Jahre 2030 abgesenkt werden.

Das Konzept enthalte bereits „Vorfestlegungen“ zu einer Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus, bemängelte SPD-Vorstandsmitglied Hilde Mattheis, die gegen den Gabriel-Entwurf stimmte. Die Sicherung des Lebensstandards solle künftig über den Ausbau der betrieblichen Altersversorgung erfolgen. Diese Betriebsrenten seien aber nicht paritätisch, sondern vor allem durch die Arbeitnehmer finanziert.

Unklar ist auch, welcher Personenkreis die „abschlagsfreien“ Rente nach „45 Versicherungsjahren“ erhält. „Als Versicherungsjahre zählen nach der bisherigen Systematik beispielsweise bei Altersrenten für langjährig Versicherte auch Zeiten des Hochschulstudiums, des Bezuges von Arbeitslosengeld II und zehn Jahre Berücksichtigungszeit für ein Kind“, sagte Andreas Feuser, Sprecher der Deutschen Rentenversicherung Bund, der taz.

Da sich die abschlagsfreie Rente nach 45 „Versicherungsjahren“ aber laut Gabriel vor allem an „Nichtakademiker“ wenden solle, müsste die SPD hier eine neue Zählweise von „Versicherungsjahren“ aufmachen.

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6 Kommentare

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  • G
    GWalter

    Abzocke bei Riester-Rente

     

    Ach, wer hätte das gedacht? Jetzt erst stellen hoch bezahlte Mathematiker fest, dass sich

    -

    keine Riesterrente lohnt....keine.

    -

    Außerdem glauben diese Mathematiker bis heute, dass die Riesterprämien staatliche Zuschüsse sind. Das stimmt nicht! Die Prämien werden aus den eingekürzten Renten gezahlt. Diese Kürzung nennt sich Riesterfaktor, der in die Rentenberechnungsformel eingebaut wurde.

    -

    Kürzungsfaktoren wie der Nachhaltigkeits- und der Nachholfaktor sorgen u.a. zusätzlich dafür, dass das Rentenniveau weiter gesenkt wird.

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    Nur zur Erinnerung, diese Sauerei haben die gesetzlich Versicherten der ROT/GRÜNEN Regierung unter Schröder zu verdanken.

    -

    Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein attackiert die Anbieter von Riester-Renten: Diese würden sich die staatlichen Zuschüsse in die eigene Tasche stecken – dafür aufkommen müsse der Steuerzahler.

  • G
    GWalter

    953 € Durschnittsrente -aber- 2780 € Durschnittspension

    -

    PENSIONEN OHNE BEITRAGSZAHLUNG !!??

    -

    Dieses geradezu absurde Ungleichgewicht wird von der Politik und der Presse immer wieder totgeschwiegen.

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    Unser Land ist reich, beteiligt sich an Kriegen, die uns eigentlich nichts angehen, und in Deutschland hungern Menschen. Das ist ein Elend und es ist ein politischer Skandal.

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    Genauso wie die jährlichen Kosten für die Pensionen tunlichst verschwiegen werden. Bei derzeit 1 Million Pensionären und Hinterbliebenen ......

    -

    Und die auszahlbare staatliche Rente/Pension sollte endlich auch gleich gestellt werden......

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    DAS GLEICHE RENTENRECHT FÜR ARBEITNEHMER, BEAMTE und POLITIKER !!!

     

    Der wirtschaftliche Erfolg der letzten Jahre wurde im Wesenlichen auf den Knochen

     

    der Rentner und Arbeitnehmer erzielt.

     

    Beamte, Politiker und Pensionäre wurden in UNMORALISCHER WEISE verschont....die Reichen sowieso !!

  • O
    Oli

    Riester, Rentenniveau-Senkung, Hartz-IV und Zeit- und Leiharbeit - das ist der Bogen der SPD.

     

    Wer soll ihnen jetzt eigentlich glauben? Diese ganzen Ideen sind doch schon heute Makulatur, Papier in der Parteizentrale. Immerhin springen bei ihnen jetzt auch schon zwei Leute aus der Reihe. Aber das ist vor den Bundestagswahlen - wie es nachher aussieht, das möchte ich lieber nicht wissen.

  • H
    Hafize

    Die letzten Jahre waren von der Entstehung eines Niedriglohnsektors geprägt. Entgelte nach einem DGB-Tarifvertrag lagen unter dem wirklichen Konstenniveau - konnten zum Bezug von ALG II bei Familien führen. Wenn die SPD diese Situation nicht hunderprozentig verstehen will, dann hat sie wohl Pech. Auch mit einem Niveau von 50 Prozent rutschen viele in Armut, bei dem extremen Niedriglohn wären auch schon 70 Prozent nicht armutsfest.

    Das ist die bittere Konsequenz aus einem anderen SPD-Projekt: Die Einführung eines Niedriglohnsektors mit niedrigen Entgelten. Nun freut es mich, dass die 'Troika' Gegenwind bekommt, aber wie stark war der heute? Das kann ja wohl nicht der Weisheit letzter Schluss bleiben.

    Unsere Gesellschaft ist nicht gerade von mitmenschlicher Solidarität und familiärem Zusammenhalt geprägt, das werden einige Menschen im Alter hart erleben, wenn die Politik nicht echt, radikal eingreifen will. Oder sie müssen eben den Niedriglohnsektor auflösen und für faire Entgelte für Alle sorgen. ...

  • UR
    Uwe Roos

    Zitat: "Gabriels Vorschläge sind nicht billig." Gemeint ist damit die sogenannte "Solidarrente" und die "abschlagsfreie Rente" nach 45 Beitragsjahren.

    Bezeichnend auch in dieser Diskussion ist die Kostenfrage, die als Hemmungsgrund oder gar als Auslöser eines Scheiterns strategisch plaziert wird.

    Die Kostenfrage leistet einer plakativen politischen Inkompetenz Vorschub und verhindert gleichzeitig notwendige Schritte, die weit mehr sein müssen als schlecht aufgetragene Kosmetik.

    Die deutsche Rentenpolitik befindet sich seit Jahren in einer kunstlich geschaffenen Sackgasse. Die Notwendigkeit einer umfassenden Reform des Generationenvertrags wird seit Mitte der achtziger Jahre systematisch durch verschiedene Interessen verhindert oder ideologisch verfremdet. Egal unter welcher Regierung, beherrschend waren durchgehend Eigeninteressen der politischen Vertreter (Wahltermine) oder starke Einflußnahmen diverser Lobbbyismusgruppen (Beamte, Freiberufler). Da Ergebnis dieser interessenbeenflußten Politik liegt heute als Scherbenhaufen vor uns. Die Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, die Herabsenkung des Renteniveaus beim ordinären Arbeitnehmer, führt zu Problemen der Zukunft, die kein Staat mehr stemmen kann. Und trotzdem, das Offentsichtiche vor Augen, verlieren sich die deutschen Parteien nachwevor in Stategiediskussionen. Bezogen auf die Sozialdemokratie, die durch Intrumentarien wie die Agenda 2010 oder die Libralsierung des Arbeitnehmerüerlassunsgesetzes (Leiharbeit) erst das Fundament für Alterarmut legten, bedeuten die aktuelle Diskussion und die Gabriel-Vorschläge die gesellschafliche Bankrotterkärung. Die SPD hat die einmalige Gelegenheit, das deutsche Rentensytem von Grund auf zu reformieren nicht genutzt. Konzeptlos, der Bundesregirung hinterher hechelnd und wie diese auf priviligierte Gruppen Rücksicht nehmend, wird diese Diskussion wieder mal zur parteiinternen Zerreißprobe, an deren Ende eine enttäuschende Bundestagwahl stehen könnte.

  • S2
    SED 2.0

    Was die SPD verspricht ist mir egal. Die Grünen ebenso. Das letzte mal häuften sie einen gigantischen Schuldenberg an, sorgten für Rekordarbeitslosigkeit, begannen zwei Kriege und dann versorgte sich die Spitze selbst sehr gut. Die Typen sind nun Millionäre und wir zahlen. Das nennt sich dann sozial, links und wenn man dann als Armer in einen Bezirk kommt in dem einem orientalen oder Schwarze die Tochter belästigen und den Sohn mit Messern bedrohen auch noch "bunt". Ich hab keinen Bock mehr auf "sozial", "links" oder "bunt". Da unterscheidet sich die Papierform zu sehr von der Realität. Alternativen fehlen seit Angie auch "sozial", "bunt" und irgendwei unausgesprochen "links" ist. Allerdings macht sie es mit weniger Moralin. Man wählt nur wenn man mitbestimmen darf. Bei A wie Atom bis Z wie Zuwanderung. Davor hat im Bundestag wegen irgendweinem Thema jeder was dagegen. Der Erste der Volksabstimmungen vor Wahlen mit geheimer Abstimmung und zur Neutralität gezwungenen Staatsmedien ARD/ZDF (z.B. durch erzwungene Redezeit ab einer gewissen Zahl an Unterschriften) sorgt der hat meine Stimme. Ansonsten können CDUSPDGRÜNELINKSPARTEI regieren. Nannten die im Osten SED, das war kürzer.