Sozialdemokrat zum NPD-Verbot: "NPD zunehmend radikaler"
Ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD ist nötig, sagt der SPD-Politiker Sebastian Edathy. Denn: Die Partei sei zur Organisationszentrale der rechtsextremen Szene geworden.
taz: Herr Edathy, die unionsgeführten Länder wollen keine Beweise für eine Verfassungsfeindlichkeit der NPD sammeln. Damit ist ein Verbotsverfahren am Ende, oder?
Sebastian Edathy: Ich halte es für völlig unverständlich, dass einige Bundesländer eine geltende Vereinbarung unterlaufen wollen. Auf der Innenministerkonferenz im Dezember 2007 haben die Länder zugesagt, Material über die NPD zusammenzustellen, anhand dessen die Chancen für ein neues Verbotsverfahren geprüft werden können. Dass ein großer Teil der Union einem neuen Verfahren aus dem Bauch heraus skeptisch gegenübersteht, ist keine Rechtfertigung, so zu handeln. Es geht ja noch nicht um die konkrete Entscheidung, sondern um die Vorbereitung der Entscheidungsfindung.
Hat die Union nicht recht? Würden Sie während eines neuen Verfahrens, wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, tatsächlich die staatlichen Spione in Bundes- und Landesvorständen der NPD abschalten wollen?
Das sind keine Spione, sondern überzeugte Rechtsextremisten, die dem Staat interne Informationen verkaufen. Darauf für die Dauer eines eventuellen Verbotsverfahrens zu verzichten ist in der Tat geboten. Was wären wir für ein Rechtsstaat, wenn wir während der Verhandlung Mithörer beim Prozessgegner hätten, wenn der sich über seine Verfahrensstrategie berät? Und die Argumentation der Union ist absurd. Ihrer Meinung nach ist die NPD so gefährlich, dass wir sie nicht einmal für eine begrenzte Zeit unbeobachtet lassen können, aber sie ist offenbar nicht gefährlich genug, um sie zu verbieten. Nach dieser Ansicht wäre eine Partei umso sicherer vor einem Verbot, je antidemokratischer sie sich gebärdet. Das ist doch lächerlich!
Auch der SPD-Innenminister von Rheinland-Pfalz, Karl-Peter Bruch, hat vor einem "zweijährigen Blindflug" gewarnt.
Selbstverständlich ist das nicht unproblematisch, aber man muss abwägen. Ich halte eine zeitweilige Kontaktsperre zu den V-Leuten für ein vertretbares Risiko. Die Frage lautet: Wollen wir eine äußerst gefährliche Partei lieber beobachten oder verbieten? Was wäre besser für die Demokratie? Da ist die Antwort für mich klar: Prüfen wir, ob es eine Grundlage für ein Verbot gibt. Artikel 21 des Grundgesetzes zwingt bei verfassungswidrigen Parteien ja sogar zum Verbot.
Die Verfassungsfeindlichkeit der NPD ist unstrittig. Für ein Verbot muss aber bewiesen werden, dass die Partei die Bundesrepublik in aggressiv-kämpferischer Weise angreift.
Nach dem ersten Verbotsverfahren 2003 hat sich die NPD zunehmend radikalisiert, weil sie glaubte, unantastbar zu sein. In ihren Vorständen sitzen inzwischen in nennenswertem Umfang Leute aus den sogenannten Freien Kameradschaften und anderen Teilen der Neonazi-Szene. Viele sind einschlägig vorbestraft. Die NPD ist die organisatorische Zentrale der rechtsextremen Szene. Deswegen ist es möglich, nachzuweisen, dass die NPD nicht nur auf dem Papier oder laut Äußerungen in den Medien unser demokratisches Staatswesen abschaffen will, sondern dass auch Funktionäre und Anhängerschaft konkret dieses Ziel verfolgen.
Die NPD hat knapp 7.300 Mitglieder, die demokratischen Parteien haben über eine Million. Warum versucht die SPD der politischen Konfrontation durch ein Verbot auszuweichen?
Ausweichen? Ich erinnere daran, dass die SPD entscheidend darauf hingewirkt hat, dass die Bundesregierung weiterhin viel Geld für Programme gegen Rechtsextremismus ausgibt. Die politische Auseinandersetzung ist wichtig, aber zu den staatlichen Mitteln gegen rechtsextreme Umtriebe zählt auch die Repression. Wenn es gute Gründe dafür gibt, sollte der Staat dieses Mittel anwenden. Es ist ein Skandal, dass eine Partei, deren Vorsitzender die Bundesrepublik nach eigenen Worten "abwickeln" will, ihr Geld zu 40 Prozent von dieser Bundesrepublik bekommt. Es ist aberwitzig, dass eine Demokratie ihre eigenen Feinde bezahlt.
In den Landtagen beschäftigte man sich aber erst ernsthaft mit Rechtsextremismus, als die NPD dort einzog. Hört diese Beschäftigung nach einem Verbot nicht wieder auf?
Das ist ein taktisches Argument und ändert nichts an der Gefährlichkeit der NPD und den guten Gründen für ein Verbotsverfahren. Aber dass viele Länder bei der politischen Auseinandersetzung mehr tun könnten, stimmt. Das gilt auch für die Kommunen. Der Erhalt des örtlichen Jugendzentrums sollte eine höhere Priorität haben, als den Rathausvorplatz neu zu pflastern. Dennoch kann man mit Fehlern in Ländern und Gemeinden beim Umgang mit dem Rechtsextremismus nicht gegen ein NPD-Verbot argumentieren. Man muss das eine tun, ohne das andere lassen zu müssen
INTERVIEW: DANIEL SCHULZ
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe