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Sozialarbeit in HamburgKämpfer für die Obdachlosen

30 Jahre lang arbeitete der Sozialarbeiter Stephan Karren­bauer beim Straßenmagazin und Beschäftigungsprojekt Hinz&Kunzt. Nun hört er auf.

War beim Obdachlosenprojekt Hinz&Kunzt als Sozialarbeiter tätig: Stephan Karrenbauer Foto: Andreas Hornoff/Hinz&Kunzt

Hamburg taz | Zum Abschied am vergangenen Montag bekam Stephan Karrenbauer noch einen Umschlag von einem obdachlosen Angestellten überreicht: Darin lag ein 10 Euro-Schein. Für Menschen, die auf der Straße leben, ist das eine Menge Geld. Karrenbauer wollte es gar nicht annehmen, doch der Angestellte bestand darauf: „Kauf dir mal was Schönes“, habe er ihm lapidar gesagt.

Der Sozialarbeiter Karrenbauer arbeitete 30 Jahre bei Hinz&Kunzt. Monatlich erscheint das Hamburger Magazin und ist auch ein Beschäftigungsprojekt: Obdachlose können die Zeitschrift auf der Straße verkaufen, um damit Geld zu verdienen. Brauchen die Ver­käu­fe­r:in­nen Hilfe bei Suchtproblemen, Einsamkeit oder bei anderen Krisen, war Karrenbauer mit seinen Kol­le­g:in­nen zur Stelle. Mit 60 Jahren hört er nun auf. „Ich bin traurig, wegzugehen“, sagt der gebürtige Hamburger, „und erleichtert zugleich, weil damit die Verantwortung abfällt.“

Direkt nach der Schule war Karrenbauer zunächst in einer anderen Richtung unterwegs und machte eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker. Dann studierte er Soziale Arbeit – „um die Welt zu verändern, natürlich.“ Nach einer längeren Zeit in der Drogen- und Suchtberatung kam er zu Hinz&Kunzt, da gab es das Magazin seit einem Jahr. Hier wurde alles auf den Kopf gestellt, was er im Studium gelernt hatte – und das gefiel ihm auf Anhieb: Zum Beispiel war Karrenbauer überrascht, weil in seinem Vorstellungsgespräch ein ehemaliger Suchttherapie-Patient von ihm neben der Geschäftsführerin saß und beurteilen sollte, ob er der richtige Kandidat sei.

Die Idee, in Kooperation mit Menschen zu arbeiten, hat Karrenbauer bereits in seiner Kindheit vorgelebt bekommen. Sein Vater war Strafvollzugsbeamter und in der Familie war es normal, dass der Vater Gefängnisinsassen mit nach Hause brachte. „Die saßen dann bei uns beim Abendbrot oder machten Gartenarbeit, und abends brachte mein Vater sie zurück ins Gefängnis“, erzählt Karrenbauer. Bei Hinz&Kunzt setzte er diesen Ansatz fort.

Heute freut ihn besonders, dass einige seiner Klienten inzwischen seit 20 Jahren in Wohnprojekten zusammenleben und alles wunderbar funktioniere: „Ich glaube, dass jeder Mensch, der gestrandet ist, mindestens eine gute Geschichte hat. Und diese Geschichte muss zusammen herausgearbeitet werden.“

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2 Kommentare

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  • Ob ein SOZIALARBEITER kämpfen kann - möchte ich doch bezweifeln. Und wenn er kämpft - kämpft er nie alleine !! Manch mal frage ich mich - wie so er es so spät gemerkt hat - das Obdachlose nur verwaltet werden. Dies habe ich im Jahre 1994 in meine Wohnungslosigkeit gemerkt - da hat die Sozialbehörde lapidar zu mir mal gesagt: "Wir wissen nicht was sie wollen - sie sind doch untergebracht !! Da hat es überhaupt keine Rolle gespielt - das ich mir eine eigene Wohnung suchen wollte. Denn Wohnungslose - Obdachlose müssen eine behördliche Darseinsberechtigung haben - sonst kann eine Behörde nicht überleben. Und diese Behörde läßt sich von Außen nie etwas sagen, - was sie zu tun hat - da mit es ein besser geht. Das dieser SOZIALARBEITER es überhaupt so lange ausgehalten hat - wundert mich immer noch. Aber ich kenn das ja von mir - ich kämpfe so lange - bis irgendwann der Kampf entschieden ist. Denn Frau - Mann kann nie jeden Kampf gewinnen, - und wird ihn auch nie gewinnen - sonst haben die POLITIKER-innen ihre Daseinsberechtigung verloren. Wenn ich immer gesagt habe - das SOZIALPOLITIK anders geht - habe ich schon verloren !! E.Heeder - HINZ&KUNZT VERKÄUFER seit April 1994

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