Sowjetsoldaten fühlen sich bedroht

■ Rote Armee befürchtet Anschläge/ Berichte über Mordfälle in Kasernen dementiert

Dresden (dpa) — Die Sowjetsoldaten in der ehemaligen DDR sorgen sich zusehends um ihre Sicherheit. Besonders deutsche Jugendliche zeigen unverhohlen ihre Abneigung gegen die Rotarmisten und ihre Familienangehörigen, die nach dem Abzugsvertrag noch bis zum Jahr 1994 in den fünf östlichen Bundesländern bleiben werden.

Nach jüngsten Vorfällen werden sogar Anschläge gegen die Sowjets befürchtet. Unbekannte lagerten vor einigen Tagen etliche Molotowcocktails direkt an der Mauer einer sowjetischen Kaserne in Dresden.

Der Kommandeur der 1. sowjetischen Garde-Panzerarmee in Dresden, Generalmajor Gennadi Andrejewitsch Kolyschkin, äußerte sich in seinem Hauptquartier zu Wochenbeginn bei einer Begegnung mit dem Parlamentarischen Staatssekretär vom Bundesverteidigungsministerium Willy Wimmer (CDU) besorgt über die Situation. Nachdem seine Soldaten beim Streifendienst in Dresden von jungen Deutschen mehrfach beschimpft worden sind, hat Kolyschkin seine Männer aus dem Stadtbild zurückgezogen. In einen sowjetischen Kindergarten wurden Steine geworfen. Wimmer versicherte dem General, daß „diese Zwischenfälle bei uns auf die schärfste Mißbilligung stoßen“.

Im Zeichen des sich jetzt anbahnenden guten und entkrampften Verhältnisses zwischen den offiziellen Stellen der Sowjetarmee, der Bundeswehr und den deutschen Behörden soll auf Anregung von Wimmer umgehend ein „Sicherheitskoordinierungsausschuß“ gebildet werden, in dem mit den Vertretern der Stadt Dresden alle heiklen Fragen besprochen werden sollen, um die Lage in den Griff zu bekommen. „Die Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland haben sich so konstruktiv gestaltet, daß wir dies durch nichts gefährdet wissen wollen“, erläuterte der Staatssekretär den sowjetischen Offizieren.

Einladungen an Bundeswehr

Kolyschkin beschwerte sich bei der Bundeswehrdelegation über die „aufgebauschten“ Berichte der Presse. Es sei „einfach eine Lüge“, daß es in der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte jährlich fast 1.000 Mordfälle gebe und daß sich rund 700 geflüchtete Sowjetsoldaten in den Wäldern im Osten Deutschlands versteckt hielten. Allerdings verhehlte der General nicht „Probleme mit undisziplinierten Soldaten“. Auf Einzelheiten ging er nicht ein. Kolyschkin bot spontan an, Bundeswehroffiziere könnten sich selber ein Bild vom Alltag der Roten Armee machen, und es sollten gemeinsame Veranstaltungen ins Auge gefaßt werden.

Der Befehlshaber der 7. Bundeswehr-Panzerdivision in Dresden, Brigadegeneral Andreas Wittenberg, der an dem deutsch-sowjetischen Treffen teilnahm, sagte seinen „sowjetischen Kameraden“ jede erdenkliche Hilfe zu. Sogar die Angehörigen der Familien der jeweiligen Seite sollen Kontakte aufnehmen, damit ein „offenes und möglichst angenehmes Zusammenleben“ zwischen Sowjets und Deutschen zustandekommt. Die sowjetischen Soldaten sollen Deutschland nach ihrem Abzug „in genauso ordentlicher Erinnerung“ behalten wie beispielsweise die amerikanischen Partnersoldaten der Bundeswehr, von denen festgestellt wurde, daß viele von ihnen immer wieder nach ihrem Militärdienst als Touristen nach Deutschland zurückkommen.