piwik no script img

Souveränität

■ Andrej Sacharow und Jelena Bonner sind frei

Na endlich. Die Rückkehr der Verbannten ist perfekt. Und indem Sacharow wieder in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen wird, ist er mit seinen Inhalten nun voll rehabilitiert. Während Gegenspieler Reagan im Sumpf der Skandale zu versinken droht, darf sich Gorbatschow im Wohlwollen der Öffentlichkeit tummeln. Die Entscheidung ist Gorbatschow sicher nicht leicht gefallen: Als die Verbannung des ungeliebten Kritikers im Westen und Osten Proteststürme hervorrief, wurde der Fall zur Prestigefrage. Normalerweise ist ein Nachgeben in den Denkschemata der Macht Gesichtsverlust. Daß das Gegenteil stimmt, wird Gorbatschow nun spüren. Vielleicht wird die positive Resonanz auch andere im Apparat überzeugen, daß dies nur der erste Schritt sein kann. Wenn immer noch politisch und religiös Verfolgte in den Gefängnissen sind und dort sterben, wie das wieder dem Tod von Anatolij Martschenko nur allzu deutlich wurde, bleibt auch die Gnade gegen die nach Gorki Verbannten Makulatur. Solange die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte deren Verletzung bewirkt, hat der eingeschlagene Reformkurs keinen Erfolg. Wer Offenheit und Kritik in der Gesellschaft wagen will, muß dafür rechtliche Sicherheit im System verankern. Die Freilassung Sacharows hat die Hoffnungen auf substantielle Veränderungen in der Sowjetunion gestärkt. Die positiven Zeichen in der Rüstungskontrollpolitik, in den Angeboten an die USA und die NATO, die Versöhnungsgesten gegenüber China und die angestrebte Wirtschaftsreform sind große Ziele. Wenn sich auch Unmut im Apparat äußert, weil es manchem zu schnell geht und liebgewonnene Gewohnheiten einer Prüfung unterzogen werden, so kann Gorbatschow doch auf die Sympathien der Mehrheit hoffen. Erich Rathfelder

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen