Southern-Hiphop: Der Irre aus New Orleans

Der Brite Nik Cohn erzählt in "Triksta", wie er versuchte, das ultimative Southern- Hiphop- Album zu produzieren - als alternder, weißer, jüdischer, britischer Musikjournalist.

New Orleans ist die zweite Hauptstadt der schwarzen Musik: Ein Bewohner in der Magazine Street. Bild: ap

Am Schluss von "Triksta" ist wirklich alles vorbei. Nicht nur die Geschichte, die Nik Cohn erzählt hat, sondern das ganze System verschwindet, das diese Geschichte möglich gemacht hat. Die rund 200 Jahre alte, stolze Geschichte der schwarzen Musik von New Orleans ist vorbei, als der Hurrikan "Katrina" weite Teile der Stadt überschwemmt und die Protagonisten dieses Buchs fliehen müssen. Kaum einer kehrt zurück. Am Ende ist also gründlich Schluss, was der Erzählung auf den Seiten davor die psychedelische Qualität eines Fiebertraums gibt: So war das also, damals, als New Orleans neben New York die zweite Hauptstadt der schwarzen Musik war.

Denn Brad Pitt mag noch so viele ökologische Siedlungen der grünen Zukunft öffentlichkeitswirksam in den Sumpf bauen. Das New Orleans, um das es in "Triksta" geht, gibt es nicht mehr. Es würde in so einer sonnenkollektorenbetriebenen Siedlung auch gar nicht funktionieren - seine Kreativität bezog diese Stadt nämlich aus ihrer intensiven Beziehung zu Sex, Rausch und Tod. Daraus, ein trauriger, armer, hungernder und gewalttätiger Ort zu sein. Stadtviertel zu haben, in denen niemand freiwillig wohnt und deren einzige Fluchtlinien in die kleinen Rap-Studios führen, wo eine vitale Hiphop-Szene zu Hause war.

Diese Musik, der für seine Stumpfness gefürchtete Southern Hiphop, zog Nik Cohn in den 7th Ward, eines dieser Viertel. Cohn ist ein ganz Großer des angloamerikanischen Popjournalismus. 1965 schrieb er eins der allerersten Bücher über Pop, "A Wop Bopaloo Bop Alop Bam Boom", voller klarsichtiger Texte über Leute wie Phil Spector und die Beach Boys. Die Siebziger brachte er damit zu, im Auftrag großer Magazine Bands wie die Who auf Welttour zu begleiten. Eine seiner Erzählungen war die Vorlage zu dem Film "Saturday Night Fever". Nun war er also Ende fünfzig, und so, wie sich andere Männer seines Alters eine junge Geliebte suchen oder ein schnelles Auto kaufen, wollte er sich den großen Traum seines Lebens erfüllen: das ultimative Südstaaten-Rap-Album produzieren.

Alternder, weißer, jüdischer, britischer Musikjournalist zieht in die gefährlichste Gegend von New Orleans, hängt auf der Straße rum und will eine Hiphop-Platte machen: Wie das wider Erwarten mehrmals fast gelingt, das ist die Geschichte von "Triksta", einem der besten Bücher über Pop, das seit Jahren erschienen ist. Weil es nicht nur detailliert erzählt, wie die Strukturen dieser Musik funktionieren, was die ökonomischen Zusammenhänge sind und welche Menschen hinter diesen Platten stecken. Es ist auch ein Buch über die Leidenschaft von Cohn selbst. Über die Zweifel, die ihn immer wieder beschleichen, wie über den merkwürdigen Stolz, der ihn erfüllt, als er eines Nachts zwei Jungs aus den Büschen vor seinem Haus springen sieht - Cohn denkt erst, er werde überfallen -, und sie ihm eine selbstgebrannte CD in die Hand drücken: "Wir kommen später noch mal vorbei, hören, was du denkst." Das tun sie allerdings nie. Sie werden kurz darauf erschossen.

Nik Cohn ist ein überzeugter Rockist und Authentizitätsverfechter. Die kaputteste Musik ist ihm die allerliebste, weil er genau hier das findet, was Pop für ihn sein muss: direkter Ausdruck der Straße. Da ist er ganz Kind seiner Generation, er atmet die weiße Liebe zur schwarzen Musik wie nur je ein Hipster. Tatsächlich ist er darin dann auch Connaisseur, jemand, der genau weiß, warum ihm das eine Stück gefällt und das andere nicht. Und Ausdruck der Straße ist natürlich auch etwas Gemachtes - genau dem jagt Cohn hinterher, er hängt mit Produzenten im Studio ab und versucht zu verstehen, wie das geht.

Im Ergebnis ist dies eine brillante Reportage. Und kulturpolitisch wichtig. Sei es nur, um festzustellen, dass man lebendige Kultur nicht unter Denkmalschutz stellen kann. Southern Hiphop ist kein Teil des Erinnerungstamtams geworden, mit dem Jahr für Jahr an die untergegangene Stadt erinnert wird. Die Musik mag tot sein. Für die New-Orleans-Folklore ist sie immer noch zu lebendig.

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