■ Soundcheck: Sound Of Blackness / Pogues / Red Moon
Gehört: Sound Of Blackness. Drei Hamburger Hip-Hop-Bands aus der zweiten und dritten Liga stellten das über der Bühne aufgespannte „Hip-Hop statt Drogen“-Plakat sogleich in Frage. Dumpf und unzusammenhängend bliesen sie die wenigen, überwiegend pubertierenden Gäste im Abstinenzler-Lokal Trockendock mit hektischem Hardcore britischer Schule voll, wobei die Bässe noch von den Bäuchen der ersten Reihen geschluckt wurden. Erst als der Veranstalter mit seiner Formation Str8 Down 2 Biz das Mikrophon selbst in die Hand nahm, kam ein wenig Bewegung in die Holzfällerhemden vom Parkett. Über den Jazz-Funk der Brand New Heavies streute Christian 6' 4G Spreen versiert seine Reime zwischen die Saxophon-Soli. Wärend B.D.C. und Criminal Behaviour aus Osna-brück nachzogen, beäugte ein Großteil des Publikums vor der Tür die Festnahme von vier Crash-Kids. Als die letzte U-Bahn dann abgefahren war, kam endlich MC Mell'o zum Zug. Mit Kampftuch und fransigem Ziegenbart machte er mit chaotischen Collagen seinem Frust über das Musikbusiness Luft. Angesichts des müden Häufleins vor ihm, schwenkte er jedoch schnell zum Freestyle um und überließ seinem DJ mit einigen Kabinettstückchen am Mischpult die Hauptrolle. Das entschädigte kaum für die wegen fehlender Teilnehmer ausgefallenen DJ- und Rap-Wettbewerbe. Ein trauriges Bild der lokalen Hip-Hop-Szene, nach einem Abend wie der Grapefruitcocktail an der Bar - gut gemeint, aber bitter.
Volker Marquardt
Gehört: Pogues. Nach der überraschend unterhaltenden Newcomer-Band Peacock Palace aus Berlin, die Tempo-Rock in melodiöser Regelmäßigkeit annähernd wahrmachte, wirkte das in Folk erstarrte Spiel der Pogues wie das ermüdende Abendprogramm eines irländischen Pubs. Nahezu bewegungslos, weil womöglich bewegungsunfähig, trällerten sie die Lieder der irischen Revolution hienieder und erreichte damit sicherlich diejenigen, die noch immer in den Stiefeln jener Zeit stecken, ohne damit seither von der Stelle gekommen zu sein. Zum rauhbeinigen Abklatsch irischen Volkstanzes gereichte die Animation der alternden Musiker trotzdem.
Die Pogues erfreuen sich im Gedankendunst des irischen Befreiungskampfes einer großen begeisterten Fangemeinde, unterschiedlicher Generationen: Da sind die, die die Pogues noch immer im Gepäck einer musikalischen und gesellschaftspolitischen Vergangenheit mit sich tragen und die, die mit Sehnsucht einer Zeit entgegenfiebern, die längstens passe ist. Insofern liegt Musik der Gegenwart noch in der Zukunft, weil sie im Heute scheinbar keinen Platz finden kann. Das ist Nostalgie-Mathematik.
Audrey-Sue Peters
Heute abend: Red Moon. Über die Scheinheiligkeit der Politiker und gegen Autoritäten und Bürokratenärsche konzertieren am „The Day After Election“: Red Moon. Die New-Power-Metal-Hardrock-Newcomer aus Hamburg singen, schrammeln, und schlagen zu fünft ihre Aggressionen in slow und vor allem faster heraus. In der Stimme von Sänger Billy Balls treffen sich Erinnerungen: an P.I.L.s Johnny Rotten und Axel Rose. Ihre Rockballade „Alone“ jedoch lädt bereits in den Szeneläden der Großstadt mit Erfolg zum ausgelassenen Engtanz ein. So auch heute für einen ruhigen Moment in Hamburgs erstem Engtanztempel.
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Knust, 21 Uhr
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