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Soundcheck

Freitag abend: Das zeitgenössische Gemisch aus HipHop, Dance und Metal läßt auch unseren Jungs immer häufiger das Wasser im Munde zusammenlaufen. Beispiel: Headcrash. Ulli und Fritz sind Techno-Produzenten, Herwig ist Gitarrist in einer HC-Truppe und der Sänger aus Kalifornien Allen „bürgt für eine exzessive Show und formuliert knallharte Texte, die fernab aller Klischees (oh graus) auch inhaltlichen Prüfungen standhalten.“ Gemeinsam wollen sie den Begriff „Crossover“ mit neuem Leben erfüllen und haben dafür einen Vertrag von east/west bekommen. Heute im Molotow mit Saprize (ab 23 Uhr).

Grandmaster Flash kehrt wieder heim aus der Gruft und besucht uns. Letztes mal unterschied sich das kaum von jeder anderen schrecklichen Oldie-Veranstaltung, wo faltige Ungeheuer mit dem Inhalt eines ganzen Schminkkoffers im Gesicht so tun, als wäre die Zeit nur eine Bewegung und kein Prozeß. Zu Playback hampelten damals die Sugarhill Gang, Kurtis Blow und besagter Flash über die Bühne und schlugen mit den abgeschalteten Mikros nach den Motten. Aber was weiß davon Marlboro? Um kleine Kinder schon frühzeitig an den krebserregenden Qualm zu gewöhnen ist ihnen jedes Mittel recht, und so laden sie die Helden von vorgestern ein, um das Verbrennen von Tabak zu heiligen. Mit dabei der DJ Kool Herc und die Nachkommer K7 (Große Freiheit, Beginn: 20.15).

Und dann wäre da noch Louie Vega, ein bekränzter DJ, der mit seiner Frau India, die toll singen kann, im Palladium die emotionale Chemie von Hamburgs Club-Freunden und Freundinnen fernsteuert (ab 22 Uhr).

Und noch mehr verquere Tanzmusik zeigt uns das Trio Atari Teenage Riot, endlich wieder aus Deutschland, um berühmt zu werden. Punk und Techno und selbstbewußte Verwilderung mischen sie und das ganz gut so. Also dabei sein, wenn es wieder heißt: Lieber laut und glücklich sein, als ein dummes New Folk-Schwein (Marquee, 21 Uhr).

Samstag abend: Für alle uns, die lieber in den Slums von Sao Paulo geboren wären, weil da die Musik zu hitzig und befreiend ist (kleiner Zynismus!), gibt es heute wieder die Dschungelfieber-Nacht in der Fabrik mit der kubanischen Band Grupo Raison und guten Scheibenreitern mit Musik aus der ganzen Karibik und der anderen neuen Welt (Beginn: 21 Uhr).

Sonntag abend: Alles verändert sich, nur FSK bleibt immer gleich. Wer ironische münchner-internationale Blasmusik zu Texten mit Titeln wie „Jazz im III. Reich“, „Diesel Oktoberfest“ oder „Flagge verbrennen, Regierung ertränken“ gerne hört, dem sei mitgeteilt, daß die Hamburger Gruppe OOP interessiert, die davor spielt (Markthalle, 21 Uhr).

Stetig weniger Wegstrecke bleibt von hier bis zu Georg Danzer, der in der Fabrik klampfsingt und den wir eigentlich nur der Vollständigkeit halber nennen, weil seit seiner BKA-Anti-Gewalt-Kampagne hier niemand mehr weiß, wozu man ihn eigentlich braucht, um nicht von Kenny G zu sprechen, der das CCH süßlich-sauer mit allerwiderlichsten Ersatzstoffen vollgöbelt.

Mehr Spaß für alle Freunde der Nostalgie bietet da schon Maze mit Frankie Beverly. Die Soul-Gemeinschaft aus Philadelphia kennt den Anspruch, den man an Zeitlosigkeit zu richten hat und wendet sich vorsichtig stets dem zu, was moderat modern bleibt. Ihr Ruf eine der „heissesten“ Live-Acts der Welt zu sein ist natürlich von jenen Rockmusikjournalisten in die Welt gesetzt, die für solche Anlässe die Worte „ehrlich“, „fetzig“ und „authentisch“ hervorstoßen. Doch nichts für ungut, der Sonntag ist gebucht (fürwer nicht vor vier Monaten eine Karte für Patricia Kaas erworben hat): Große Freiheit, 21 Uhr.

tlb

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