■ Soundcheck: Georgio Moroder Tribute Night
Heute: Georgio Moroder Tribute Night. „Damals ging ich in ein paar paar Diskotheken und ich bemerkte, wie die Leute so gegen Ende einer Platte voll auf der Musik draufwaren. Es muss eine Methode geben, dass man sie bei diesem Höhepunkt am Ende einer Platte nimmt, festhält und sie noch auf eine höhere Ebene hebt.“ So beschrieb 1976 Tom Moulton, einer der Pioniere des Remixes, die auf größtmöglichste Effektivität angelegte Ästhetik von Disco. Hört man heute Moultons mit simpelsten analogen Techniken hergestellten Remix-Synphonien aus dieser Zeit, ist man fast geneigt, dem englischen Poptheoretiker Kodwo Eshun zuzustimmen, wenn er sagt, dass mit Disco hörbar das 21. Jahrhundert beginnt.
Eine Jahr zuvor allerdings hatte in München ein Mann vorgemacht, wie das nächste Millenium aussehen könnte: der in Tirol geborene Bergbauernsohn Georgio Moroder, zugleich einer der größten Verbrecher wie Visionäre der Popgeschichte. Vielleicht sah ja sein 21. Jahrhundert aber einfach nur etwas billiger aus. Mit der schwarzen Sängerin Donna Summer, die als Hair-Tänzerin nach Euopa gekommen war, arbeiteten Moroder und der Produzent Pete Bellote damals an der Isar an einem Stück, das als „Love to Love you Baby“ Geschichte machen sollte – und Schuld ist, dass sich zwar jeder an den Munich Disco Sound, niemand aber mehr an Moroders grauenvolle Arbeiten mit den Schlagersängern Ricky Shane und Michael Holm erinnert.
„Don't sing, whisper and groan“, forderte er, inspiert vom Erfolg des Serge Gainsbourg-Klassikers „Je t'aime“, die prüde Katholikin auf. Zu einer monotonen Synthiemelodie, zwischen zischenden Streicherattaken und einem lasziv-verschleppt federnden Beat, stöhnte Summer Mal um Mal den orgiastischen Refrain, denn aus viel mehr bestand das Stück ohnehin nicht. Neil Bogart, Besitzer des renommierten Funklabels Casablanca, war auf einer Party von der ersten Vorabversion so begeistert, dass er Moroder bat, das Stück auf 20 Minuten zu dehnen. Disco-Statis-tiker zählen über ein Duzend Fake-Orgasmen auf den 16 Minuten und 50 Sekunden, die das Stück dann dauerte. Mit „I feel Love“ verdiente er sich zwei Jahre später noch mal einige Meriten bei der Entwicklung jener Art von gallopierenden Basslinien, die man gemeinhin mit der Disco-Ära verbindet.
Dann allerdings reihte sich musikalisches Verbrechen an Verbrechen – Hauptsache, der Müll verkaufte sich gut und man konnte dazu ficken. Für den Synthie-Soundtrack zu Alan Parkers Midnight Express heimste er frecherweise den Oscar ein – nur um dann ein für alle Mal mit Irene Caras „What a Feeling“ und seiner colorierten, schweinerockunterlegten Metropolis-Version den 80er Jahren ein Denkmal zu setzen, das auch ausgiebigster Kokainkonsum kaum aus der Erinnerung tilgen kann. Und weil das so ist, heutige House-Musik aber notgedrungen, wie das Giorgio Moroder Tribute Album beweist, Moroder einiges verdankt, muss man ihn wie jedes Trauma in gut psychoanalytischer Tradition „durcharbeiten“: Heute Abend tut das auf drei Turntables der altgediente House-Produzent Roger Sanchez (Strictly Rhythm, Narcotic), unterstützt von den Discoboys und Pee Gees Disco aus Hamburg und Berlin. tob
Phonodrome, 23 Uhr
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