Sotschi 2014 – Snowboard, cross: Ich bin wieder hier
2006 konnte Lindsey Jacobellis die Spiele nicht genießen. Sie verlor ihr Gold auf der Ehrenrunde. Jetzt will sie sich die Medaille nachträglich holen.
BERLIN taz | Eigentlich hatte sie olympisches Gold schon einmal fest in der Hand. Völlig allein fuhr Lindsey Jacobellis 2006 in Turin im Snowboard-Cross-Finale vorneweg. Ihre drei Konkurrentinnen hatte sie weit hinter sich gelassen. „Das ist nur noch eine Ehrenrunde für Lindsey Jacobellis“, rief der Kommentator der BBC in sein Mikrofon. Doch dann brüllte er nur noch: „Ooooh!“
Beim vorletzten Sprung griff die US-Amerikanerin an ihr Brett, ein Risiko völlig ohne Not – und stürzte. Die Schweizerin Tanja Frieden fuhr langsam an ihr vorbei ins Ziel. Jacobellis hatte ihr Gold auf der Ehrenrunde zerbröselt. Bei den Spielen 2010 war im Halbfinale Schluss. Wieder landete sie schlecht, wollte eine Kollision verhindern und fuhr aus der Bahn. Disqualifikation.
Snowboard Cross, dieses Rennen, bei dem sich immer vier FahrerInnen gleichzeitig die Piste hinunterstürzen, durch Steilkurven brettern und diverse Sprünge meistern müssen, ist so unvorhersehbar wie kaum eine andere Disziplin bei Olympischen Spielen. Jacobellis hätte nach den Spielen 2010 eine Doktorarbeit über diese Unberechenbarkeit schreiben können.
Dabei lag ihr größtes Leid noch vor ihr. Bei den X Games Anfang 2012 riss ihr vorderes Kreuzband. Erst im Juni 2013 – nach zwei Operationen und langer Rehaphase – stand sie wieder auf Schnee. „Es war großartig“, beschrieb sie ihr Gefühl bei espn.com: „Ich fühle mich so sicher wie eh und je – und bin bereit für jeden Sprung.“
Im November trat Jacobellis zum ersten Mal wieder bei einem regulären Wettkampf an. Einen Monat später verletzte sie sich erneut: Ein Band im Daumen riss, ein Knochen brach auch. Wieder Operationen, wieder Schmerzmittel. Und wieder aufs Snowboard. „Jedes Mal, wenn ich da raus gehe, Rennen fahre und heil und gesund unten ankomme, wächst mein Selbstvertrauen“, sagte sie.
Im Januar siegte Jacobellis zum achten Mal bei den X Games im Snowboard Cross. Keine Frau gewann häufiger. Nun will sie in Sotschi das Gold holen, das sie in Turin fahrlässig liegen ließ. Diesmal aber ganz locker. Sie will die Spiele genießen. 2006 habe sie das nicht gekonnt. „Da wurde mir nur eingeredet, ich solle alles genießen – aber ich fuhr durch die Spiele wie auf Autopilot.“
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