Sotschi 2014 – Eisschnellauf 1500m: Oranje boven in Sotschi

Die niederländischen Kufenflitzer laufen bei diesen Spielen allen davon, weil das Rennen auf dem Eisoval nirgendwo sonst ein derart großer Volkssport ist.

Ireen Wüst, Gold- und Silbermedaillengewinnern in Sotschi. Bild: dpa

SOTSCHI taz | Sjoukje Rosalinde Dijkstra ist etwas aus der Rolle gefallen. Sie war Eiskunstläuferin und hat für Holland eine olympische Goldmedaille gewonnen. 1964 war das bei den Winterspielen von Innsbruck. Und dann gab es noch die Snowboarderin Nicolien Sauerbreij, die 2002 in Salt Lake City die holländische Fahne trug und acht Jahre später mit der olympischen Goldmedaille, gewonnen im Parallel-Riesenslalom, nach Hause fuhr.

Dijkstra und Sauerbreij sind olympische Exoten in ihrem Land, denn hier wird im Winter eigentlich immer nur Schlittschuh gelaufen. Geradezu mythisch ist das Elfstedentocht, ein Rennen über zugefrorene Grachten, das es seit 1909 nur 15-mal gegeben hat; meist fällt die Elfstädtetour allzu milden Wintern zum Opfer.

Es ist nur logisch, dass alle anderen olympischen Goldplaketten von Eisschnellläufern ins Land der Grachten geholt wurden. Der DFB der Niederlande heißt Koninklijke Nederlandse Schaatsenrijders (KNSB). Er hat 13 Regionalverbände und 150.000 Mitglieder, von denen jedes zehnte Mitglied Wettkämpfe läuft. Als Basis der Leistungsexplosion gilt der Bau der ersten Kunsteisbahnen in den 1960er Jahren. Seitdem musste die Elite zum Eistraining nicht mehr nach Norwegen ausweichen. Heute gibt es mehr als zwanzig Eisschnelllaufbahnen in Holland.

Sa., 14.30 Uhr, ZDF, Eisschnelllauf 1.500 m, Männer

So., 15 Uhr, ARD, Eisschnelllauf 1.500 m, Frauen

In Heerenveen oder Alkmaar kennt sie jeder, die Helden des Eisovals, ob sie nun Yvonne van Gennip, Marianne Timmer, Gianni Romme, Jochem Uytdehaage oder Gretha Smit heißen. Wenn olympische Rennen stattfinden, dann gucken 4,5 Millionen Sportliefhebbers zu, was sehr beachtlich ist, denn in den Niederlanden leben nur 16,7 Millionen Menschen. Einige sind auch nach Sotschi gekommen – wie immer ganz in Orange.

„Kleintje Pils“ kommt

Die Betreuer haben wie in Vancouver ihre eigenen Hollandfahrräder mitgebracht. Nur ein Accessoire holländischer Eis-Erfolge, die Band „Kleintje Pils“, fehlte bis Freitag, aber am Samstag, wenn die Athleten um 1.500-Meter-Gold kämpfen, ist die Kapelle in der Halle und will, so haben sie es angekündigt, „YMCA“ spielen – als „Statement“ gegen Putins Schwulengesetz. Es wird auch wieder das Königspaar anwesend sein, Willem-Alexander und Maxima. Diese Wettkämpfe sind von staatstragender Bedeutung.

Am Donnerstagabend hat Holland in der Adler-Arena die elfte und zwölfte Eisschnelllauf-Medaille dieser Spiele gewonnen. Beim ziemlich überraschenden Sieg der Chinesin Hong Zhang stiegen LGBT-Ikone Ireen Wüst und Margot Boer aufs Podium. Die Erfolge wurden von den holländischen Fans sehr routiniert abgefeiert. Es ist mittlerweile normal, wenn Oranjes Schnellläufer Plaketten sammeln.

Bisher sind es vier goldene, drei silberne und fünf bronzene. Und es werden weitere hinzukommen. Sven Kramer, der Langstreckler, verspricht „18 oder 19 Medaillen“. Niemand rechnet damit, dass Kramer falsch liegen könnte. Mit insgesamt 30 Olympiasiegen sind die Niederlande nun vor den USA die erfolgreichste Eisschnelllauf-Nation. Das wurde aber auch Zeit, finden holländische Journalisten. Nur Norwegen mit 36 Goldmedaillen im Langlauf und Österreich mit 32 bei den Alpinen sind die noch größeren olympischen Titelsammler.

„Im Moment sind sie uns allen ein Stück voraus“, sagt der japanische Sprinter Keiichiro Nagashima. Sogar im Kurzsprint über 500 Meter, wo die Holländer seit 1988 keine Olympiamedaille gewonnen hatten, räumten die Mulder-Brüder und Jan Smeekens ab. Die Erfolge kämen nicht von ungefähr, erklärten Michel und Ronald Mulder, nirgendwo sei die nationale Konkurrenz stärker.

Setze man sich einmal bei den holländischen Olympiaausscheidungen durch, dann könne man eigentlich automatisch mit einer olympischen Medaille rechnen. Über 5.000 Meter sammelten die Niederländer auch den kompletten Medaillensatz ein. Die Dominanz der KNSB-Athleten ist frappierend. Die deutsche Sprinterin Jenny Wolf sagt: „Mit so einer Überlegenheit habe ich nicht gerechnet. Dass sie so auf den Punkt fit sein können und alles in den Lauf legen können, davor habe ich größten Respekt.“

Vor vier Jahren in Vancouver lief es beileibe nicht so gut wie heuer. Damals überzeugte Südkorea als beste Eisschnelllauf-Nation. Ein großes Malheur bewegte seinerzeit die holländische Eislaufnation, denn Sven Kramer musste über 10.000 disqualifiziert werden, weil ihm sein Trainer Gerard Kemkers zu einem falschen Bahnwechsel bei Kilometer 6,8 gedrängt hatte. Holland hatte also etwas gutzumachen. Vielleicht laufen sie deshalb auf dem Eisoval von Sotschi, als wäre der Leibhaftige hinter ihnen her.

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