Sorge um die israelischen Geiseln: Angst ist stärker als Hass
199 Geiseln befinden sich derzeit im Gazastreifen. Angehörige wollen, dass ihre Befreiung oberste Priorität hat.
Lange wussten Shira Albag und Hunderte andere nichts über ihre vermissten Freunde und Verwandte. Am Montag nannte Israels Armeesprecher Daniel Hagari schließlich eine Zahl: Seit dem Hamas-Anschlag seien die Familien von 199 Geiseln darüber informiert worden, dass ihre Angehörigen in den Gazastreifen verschleppt worden seien. Bisher war man von rund 150 Entführten ausgegangen.
Unklar ist aktuell, inwiefern die vielen Geiseln in dem Küstenstreifen sich auf die Planung der israelischen Luftangriffe auf Gaza sowie eine erwartete Bodenoffensive auswirken. „Unsere Angriffsziele basieren auf Geheimdienstinformationen“, sagte Armeesprecher Hagari. Die Entführten zurückzuholen habe „oberste Prioriät“. Man wisse genau, was man dort angreife, nämlich Infrastruktur der dort herrschenden Hamas und ranghohe Mitglieder der Organisation. Man werde keine Angriffe fliegen, „die unsere Leute in Gefahr bringen“.
Shira Albag und die Menschen auf der Mahnwache wollen sich darauf nicht verlassen. „Ich bin hier, damit die Regierung uns sieht und damit die Befreiung der Geiseln oberste Priorität bleibt“, sagt sie. Ein junger Demonstrant wirft ein: „Wir vertrauen darauf, dass sie die richtigen Entscheidungen treffen, aber wir wissen gerade nicht, ob ihnen wichtiger ist, die Hamas zu zerstören oder die Gefangenen dort rauszuholen.“
Israel postet Fluchtroute
1.400 Israelis wurden bei dem beispiellosen Anschlag der radikalislamischen Hamas getötet, die meisten von ihnen Zivilisten. Mehr als 2.750 Palästinenser starben bei israelischen Angriffen auf den Gazastreifen. Unter den Toten dort sollen auch israelische Geiseln sein, verkündete die Hamas. Diese Angaben konnten jedoch nicht unabhängig überprüft werden. Israelische Soldaten hatten bei Vorstößen in den Küstenstreifen am Freitag nach Armeeangaben mehrere Leichen entführter Israelis geborgen.
Die Staats- und Regierungschefs aller 27 EU-Länder forderten eine „sofortige und bedingungslose“ Freilassung aller Geiseln. Der Jerusalemer Kardinal Pierbattista Pizzaballa bot an, sich selbst im Austausch gegen die minderjährigen Gefangenen in die Hände der Hamas zu begeben.
Die israelische Armee wiederholte am Montagmorgen auf der Plattform X die Aufforderung, das Gebiet zu verlassen, und veröffentlichte eine Route, die bis zum Vormittag nicht angegriffen werden sollte. Die UNO und Menschenrechtsorganisationen hatten den Aufruf zuvor kritisiert und warnen vor einer humanitären Katastrophe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein