berliner szenen: Sorge um die Schönheit
Nach einer halben Stunde in der Hitze, wartend auf den Einlass zum Abendtarif im Prinzenbad, schwimme ich endlich Slalom. So viel los war noch nie im Becken. Unentwegt dringen mir Gesprächsfetzen von anderen Brustschwimmern ins Ohr. Nichts Erwähnenswertes, bis hinter mir zwei Zwanzigjährige über ihre Partner zu sprechen beginnen. Die eine sagt zur anderen: „Gut, dass ich dich hab. Mein Freund weigert sich, mit mir im Freien baden zu gehen.“ Kurze Stille. Dann die andere: „Häh, warum denn das?“ Drei Schwimmzüge später: „Mein Freund hat voll die krasse Angst vor der Sonne. Der benutzt sogar im Winter 30er Sonnencreme.“ Die andere wiederholt daraufhin ihr „Warum?“, worauf die eine antwortet, dass ihr Freund die Sonne meidet, weil er Angst hat, Falten zu bekommen. Während ich mir ein Lächeln nicht verkneifen kann, sagt die andere: „Ich hab aber auch Schiss, dass ich mit dreißig aussehe wie meine Oma.“
Ich, die dreißig bin, vergesse das Lachen. Denken die beiden von mir vielleicht, dass ich ihrer Oma gleiche? Ich verlasse das Wasser, laufe zu meiner Tasche und schmiere mich mit Sonnencreme ein. Als ich so alt war wie die beiden, war ich total fahrlässig, was den Sonnenschutz angeht. Da hatte ich andere Sorgen – oder keine. Auf jeden Fall hatte ich mit zwanzig noch keine Angst, Falten zu bekommen.
Ist die jetzige Jugend etwa vernünftiger geworden? Achtet sie mehr auf Gesundheit, als ich und meine Freunde es noch vor zehn Jahren getan haben? Als ich das Prinzenbad eine Stunde später verlasse, werde ich eines Besseren belehrt. Am Kottbusser Tor sitzt eine Gruppe Jugendlicher und gießt sich in hohem Maße Wodka mit Rhabarbersaft in Plastikbecher. Ich gehe weiter und denke: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.“
Eva Müller-Foell
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