■ Neues vom Kuhhandel um Radovan Karadžić: Sorge um Milošević
Man leugne mit geschickten Worten die Wahrheit – den Kuhhandel mit Belgrad und Pale zum Schutz von Radovan Karadžić vor Festnahme und seiner Auslieferung an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag –, und fordere zugleich, was man unbedingt vermeiden will – eben diese beiden längst überfälligen Maßnahmen. Nach diesem Motto verfuhren über Pfingsten die Herren Bildt, Kornblum, Major, Chirac, Solana, Kinkel, Christopher und Portillo.
Die vier Letztgenannten hätten schon in den nächsten Tagen Gelegenheit, die Glaubwürdigkeit ihrer Forderungen endlich unter Beweis zu stellen. Auf der Nato-Ratstagung in Berlin soll, so Kinkel, „Druck zur Umsetzung des Dayton-Abkommens“ gemacht werden. Das bleiben hohle Sprüche, wenn von der Tagung keine klare Anweisung an die Ifor ergeht, Karadžić, Mladić und andere angeklagte Personen endlich festzunehmen und nach Den Haag auszuliefern. Das zur Begründung für die Zurückhaltung immer wieder aufgetischte Ammenmärchen, die 60.000 Mann starke, bestens ausgerüstete Ifor-Truppe sei hierzu nicht oder nur unter „größtem Risiko für den Friedensprozeß“ in der Lage, ist eine Beleidigung aller halbwegs intelligenten Menschen.
Der eigentliche Grund ist die Sorge in Washington, Bonn, London, Paris und Moskau, Karadžić und Mladić könnten nach ihrer Festnahme und Auslieferung Slobodan Milošević so schwer belasten, daß das Tribunal eine Anklage gegen den Hauptdrahtzieher des Völkermordes in Bosnien nicht länger hinauszögern kann. Unter Druck geraten, könnte Milošević seinerseits die Absprachen zur Eroberung und „ethnischen Säuberung“ Srebrenicas und Žepas ebenso enthüllen wie die Abmachungen zur militärischen Neuziehung der internen Grenzen in Nordwestbosnien, die er im Frühjahr 1995 in Belgrad mit US-Unterhändler Richard Holbrooke getroffen hat.
Den fünf Garantiemächten des Dayton-Abkommens bleibt nur die Alternative, das Risiko der eigenen Bloßstellung einzugehen oder aber Karadžić und Mladić endgültig zum Schweigen zu bringen. Da die Regierung in Sarajevo unter Berufung auf das Dayton-Abkommen die Durchführung von Wahlen zu Recht ablehnt, solange die beiden Serbenführer unbehelligt in Bosnien leben, bringt auch der jüngste Kuhhandel um Karadžić nur einen Aufschub – aber keinen Ausweg aus dem Dilemma. Andreas Zumach, Genf
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