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„Sonst holt Euch der Teufel“

■ Wenn Männer meinen, ihr Beitrag zur „Frauenfrage“ liege im endgültigen Verzicht auf geistige Anstrengungen / Emsiges Bemühen um die Begrenzung des Machtverlustes

„Ihr müßt die Quote halten, sonst holt euch der Teufel.“ Ohne Wenn und Aber kämpft ein Unterbezirksvorsitzender mit 73 Ortsvereinen und 5.000 Mitgliedern als bayerischer Kraftlackel für die abgespeckte SPD-Quote. Denn es gibt „keine moralische Legitimität für das Festhalten an den alten Normen“. Der Mann will sein Weltbild wieder ins Lot bringen. „Machen wir es gleich, damit wir es hinter uns haben.“ Er wird sich noch wundern. „Hinter uns“ fängt alles erst an. Dennoch schneidet er bei der Bonner „Nachzüglerveranstaltung“ (J. Fischer) so schlecht nicht ab. Was da aus Männermündern quoll, beweist einmal mehr, daß auf absehbare Zeit mit uns Männern politisch nicht zu rechnen ist.

Die Männerexperten verordnen, wie gehabt, männlichen Leidensdruck. Männergrüppler üben sich im emotionalen Stammeln und verlieren jähzornig die Geduld, wenn das von den Frauen nicht gebührend honoriert wird. Der „manngemäße Zugang“ der Männerbüros will auf Männerkumpanei nicht verzichten. Wer den Männerbewegten die Sicherheit nimmt, sich immer und überall „von anderen Männern angenommen zu fühlen“, kann nur ein „selbstinszenierter Großinquisitor“ sein.

Daß es immer schon falsch war, Männlichkeit per se mit Verstand, Rationalität und Denkvermögen in Verbindung zu bringen, wird da schlagartig klar, wo Männer meinen, ihr Beitrag zur „Frauenfrage“ bestände nachgerade im endgültigen Verzicht auf geistige Anstrengungen. So will die Berliner „Mannege“ Männergewalt gegen Frauen deshalb nicht „skandalisieren“, weil sie sich „in jedem von uns“ wiederfinden lasse. Das „Männerbüro Göttingen“ verkündet, daß Männer bereiter seien, partnerschaftlich zu handeln, als Frauen wissen. Alle zusammen fordern sie Staatsknete für die Professionalisierung der „Männerarbeit“ und Lehrstühle für ihre Heilslehrer.

Auch mein ganz persönlicher kleiner Lichtblick, Teilzeit -Professor Peter Grottian, bastelt daran, die Schäden des drohenden männlichen Machtverlustes zu begrenzen. Seine Forderung nach geteilten Führungspositionen sieht vor, daß die halbierten Stellen „gut dotiert“ werden. Wäre doch gelacht, wenn ein bißchen Frauenfreundlichkeit nicht auch dem Manne was einbringt. Grottian spricht zwar, was angenehm ist, nicht von der immer wieder larmoyant verlangten „Männeremanzipation“, er betreibt sie dennoch. Seine Teilzeit-Professoren-Runde gerät nahe an einen Publicity -Gag, wenn etwa ein Narr auf Teilzeit macht, aber den erlittenen „Machtverlust“ stillschweigend mit einem neuen Pöstchen kompensiert.

Wer als Mann meint, das Patriarchat abschaffen zu müssen, sollte endlich aufhören, sich um die Machtfrage zu drücken. Die „Frauenfrage“ als „Männerfrage“ bedeutet männlichen Machtverlust. Ohne jede Kompensation. Kein Mensch würde je auf die Idee kommen, einen Großgrundbesitzer mit dem Argument, das Leben als rechtloser Knecht würde ihn glücklicher machen, zur Vergesellschaftung seiner Ländereien bewegen zu wollen. Nichts anderes aber haben die Männergrüppler gemeint, als sie die hochrangige Politikerrunde auf ihre privaten Verzichtsleistungen hin abklopften.

Die „Männerfrage“ ist sicher auch eine moralische Frage, zuallererst aber eine politische. Wenn Joschka Fischer stolz sich brüstet, niemals daran gedacht zu haben, „einer Frau Platz zu machen“ und seit Verena Stefans Häutungen keine feministische Literatur mehr gelesen zu haben, ist nicht moralische Entrüstung angebracht, sondern politisches Handeln. Wo sind die grünen Männer, die diesem Herrn deshalb seine politische Macht streitig machen? Ist grüne Patriarchatskritik ebensowenig inhaltlich gemeint wie die SPD-Quote? War doch diese, wie der bayerische Quotenstreiter aus der Schule plauderte, nur möglich, „weil die Partei damals erwartete, wieder zuzulegen“.

Jetzt, wo es bei beiden eng wird, stellt sich die „Männerfrage“.

Martin Fischer

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