: Sonny Sharrock Band
Die Knitting Factory gilt als einer zur Zeit interessantesten Auftrittsorte in New York. Hier treffen sich Musiker, die sich weder in Kategorien wie Pop oder Jazz, noch Experimentell oder gar Avantgarde einteilen lassen würden, und doch geht es vielleicht gerade hier um eine neuartige Verbindung all dieser Substanzen. Wenn John Zorn einen Hochgeschwindigkeits-Metal wie Blind Idiot God produziert, dann wirkt das auf den ersten Blick, als würden sich Contras und Sandinisten verbünden. Aber gerade im Niemandsland zwischen den Fronten der verfeindeten Richtungen entsteht ein musikalisch artenreiches Biotop, das den Weg weisen könnte aus der akustischen Katastrophe des Mainstream.
Der Gitarrist Sonny Sharrock scheint den Notausgang bereits aufgespürt zu haben. Im Kampf mit Peter Brötzmann, Ronald Shannon Jackson und Bill Laswell in der Formation Last Exit entsteht ein körperlich spürbar komprimierter Sound, der eine Schallmauer auf den Hörer einstürzen läßt.
In seiner eigenen Band nun scheint sich Sonny Sharrock von diesen Exzessen wie im Schrebergärtchen erholen zu können. Er kann seine Gitarre umgarnen, sie hübsche Kringel in den Sand malen lassen, „Elmos Blues“ für einen Freund spielen und sich selbst den schönsten Song widmen: „My Song“. Zu hören übrigens auf einer großartigen Liveplatte aus der Knitting Factory, aufgenommen im Juli letzten Jahres, erschienen bei der Plattenfirma mit dem richtigen Namen: Enemy Records aus München. Berauschend durch eine Art fliegenden Sound, der die Gitarre weit fortträgt. Das Doppel -Schlagwerk von Pheroan Aklaff und Abe Speller untermauert durch kräftige Basschläge und swingende Snaredrums und dann geht plötzlich alles in einen New Orleans-Zydeco-Rhythmus über. Der Bass wird von Ambitious Lover (Arto Lindsays Band) Melvin Gibbs zärtlich brutal zurechtgezupft. Irgend etwas ist in dieser Musik, in dieser selbstverliebten Gitarre, es fördert ein Gefühl zutage, wie sonst nur die Hingabe an schnulzige Soulgelüste, es ist einem peinlich, aber man fühlt sich so richtig wohl.
Das mag alles an einem angeborenen Herzfehler liegen: „Man fand heraus, daß ich als Kind eine Herz-Rhythmus-Störung hatte, deshalb war ich schon immer polyrhythmisch“, sagt Sonny Sharrock. Und auch er scheint angetan von seiner Band, vor allem von der Rhythmusabteilung: „Sie sind Killer und ich liebe sie. Ihre Musik ist so erhebend wie die erste Liebe und so zerstörerisch wie der Tod“.
Neben der Sonny Sharrock Band werden heute, am zweiten und letzten Tag des Kleinen Festivals, aus dem Clan der Knitting Factory auftreten: Das Trio der Pianistin Myra Melford, mit Lindsay Horner am Bass und ebenfalls Pheroan Aklaff, Schlagzeug. Außerdem das Trio „Bosho“ mit blechpercussion und Vocals von Kumiko Kimoto; Gitarre und Drums.
Heute, 20 Uhr, im Haus der jungen Talente.
A. Becker
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