Sonnenstrahlen zu Volt und Watt: Mit oder ohne Vertrag
■ Solarstrom-Erzeuger und Norvia können sich noch nicht einigen
Es sollte der Einstieg ins Solarzeitalter sein: Seit dem ersten April verpflichtet das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die Stromnetzbetreiber unter anderem, Strom aus Solaranlagen abzunehmen. Der Preis ist im Gesetz für einen Zeitraum von 20 Jahren auf 99 Pfennig pro Kilowattstunde festgesetzt – weit über den Kosten für die konventionelle Stromerzeugung. Damit wollte Bundesumweltminister Jürgen Trittin den Einspeisern von Solarstrom Planungssicherheit geben. Erst wenn sich die Solaranlagen nach 20 Jahren amortisiert haben, soll der Einspeisepreis frei aushandelbar sein.
Aber nicht alle Netzbetreiber spielen mit: Die Bremer swb Norvia will sich nicht darauf festlegen, 20 Jahre lang 99 Pfennig zu bezahlen. In ihrem Entwurf für einen Stromliefervertrag ist deshalb nur von einer Vergütung „nach Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften“ die Rede. Im Klartext: Momentan würde die Norvia zwar 99 Pfennig zahlen, aber wenn nach der nächsten Bundestagswahl das EEG geändert oder ganz abgeschafft würde, könnte der Preis deutlich sinken. Die Kalkulation der Solarstrom-Erzeuger, meist Privathaushalte mit einigen Zellen auf dem Dach, käme dann nicht mehr hin. Und noch mehr: Da die Stromversorger bei der Europäischen Union Widerspruch gegen das EEG eingelegt haben, will die Norvia nur unter Vorbehalt zahlen. Sollte Brüssel das Gesetz kassieren, würde die Norvia das bereits gezahlte Geld von den Solarstromern zurückverlangen.
Für manche Betreiber von Solaranlagen ist das nicht akzeptabel. Sie verlangen Verträge mit den im Gesetz festgeschriebenen Garantien. „Wir wollen doch nur bekommen, was uns zusteht“, sagt Fritz Amecke aus Oberneuland. Einen entsprechenden Entwurf des Solaren Fördervereins Aachen lehnte die Norvia indes ab. Sie teilte den Erzeugern mit, sie werde ihnen bis auf Weiteres die gesetzliche Vergütung von 99 Pfennig zahlen – auch ohne Vertrag. Damit hat der Netzbetreiber genau das erreicht, was er mit seinem Vertragsentwurf bezweckt hatte: Sich nicht über die Geltung des Gesetzes hinaus zu binden. „Angesichts der schwankenden politischen Rahmenbedingungen können Sie heute kein Unternehmen mehr darauf verpflichten, Verträge über zwanzig Jahre zu schließen“, sagt swb-Sprecherin Marlene Odenbach.
„Ich verstehe nicht, dass die Norvia sich damit so schwer tut“, sagt Bernd Oei von der Gesellschaft für solare und innovative Technologie, „bei derzeit rund hundert Anlagen in Bremen zahlen die das doch aus der Portokasse.“ Gerade deswegen könne das Unternehmen so mit ihnen umgehen, vermutet Betreiber Michael Thannheimer: „Wir sind so wenige, da kann man's mit uns ja machen.“ Dabei werden die Mehrkosten ohnehin bundesweit auf alle Netzbetreiber umgelegt. 67 Netzbetreiber zahlen aus Imagegründen sogar mehr als 99 Pfennig pro Kilowattstunde. Bei bis zu 1,51 Mark amortisieren sich die Solaranlagen dann schon in sieben bis zehn Jahren. Die Kosten können ebenfalls bundesweit voll umgelegt werden.
Jan Kahlcke
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