: Sonderopfer
■ Götterdämmerung im Umweltschmutz
Schlimme alte neue Alarmsprache: die Zeit der „Sonderopfer“ ist angebrochen. Stoiber lehnt ein „Sonderopfer“ der Beamten in Sachen Alterssicherung ab. Töpfer verlangt „Sonderopfer“ für die Nordsee. Wird es bald ein „Winterhilfswerk“ beim Waldsterben geben?
Keine Frage, daß die Dringlichkeit sachlich geboten ist, abgesehen davon, daß alle Notprogramme für die Nordsee viel zu spät kommen; keine Frage, daß es demagogischen Drucks bedarf, um überhaupt Druck zu machen. Aber wenn jetzt die deutsche Kleinfamilie und die Industrie in eine Front der Opferbereitschaft gebracht werden, beginnt man doch an der Seriosität dieses Vorstoßes zu zweifeln. Was Töpfer als Notprogramm vorstellt, rettet nicht die Nordsee. Ausreichend Gift ist im Kreislauf dieses toten Meeres. Dieses Notprogramm stellt als Volksopfer etwas dar, was längst schon politisches Alltags-Programm der Regierung hätte sein können. Im Klartext heißt es: angesichts der Nordsee fordern wir beschleunigt und mit „Sonderopfern“ all die Kläranlagen, Dünge- und Einleitungsbeschränkungen, die es schon hätte geben müssen. Der Inhalt der Dramatik ist eigentlich: Stunde Null der Umweltpolitik.
Was den starken Worten von Töpfer fehlt, sind die grundsätzlichen Optionen, die er als verantwortlicher Politiker zu benennen hätte. Konsequente Anwendung des Verursacherprinzips, Primat des Umweltschutzes bei der Landwirtschafts- und Industrieansiedelungspolitik, kurzum „Wertewandel“ in der Wirtschaftspolitik, das wären die nahaliegendsten politischen „Opfer“ seiner Koalitionsfreunde, wenn der Minister schon auf dem Opfertrip ist.
Klaus Hartung
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