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■ SommerSchuleZweierlei Autonomie

In der SommerSchule debattieren LeserInnen die Zukunft von Schule und Hochschule.

Für Rot-Grün ist Bildung ein exotisches Randthema. Zwar haben Hunderttausende StudentInnen Ende 1997 gestreikt, doch gleichzeitig war das öffentliche Desinteresse an ihren Forderungen noch nie so groß wie jetzt. Doch eine staatliche Reform für mehr Mitbestimmung der StudentInnen über ihre berufliche Ausbildung und ihre eigenen Lebensentwürfe ist von der neuen Regierung nicht zu erwarten. Zu befürchten ist vielmehr eine kapitalistische Reform: Hochschulen werden als Unternehmen angepriesen, die sich stromlinienförmig am Markt behaupten sollen.

Doch das Reformgeschwätz von Zukunfts- und Innovationsfähigkeit übertönt nur die Ausgrenzung und Marginalisierung der Studierenden. Die Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der Hochschulmitglieder werden nicht in dem Maße berücksichtigt, wie es ihrer Rolle an der Hochschule entspricht. In der Ära Kohl hat die Debatte lediglich zu einer finanziellen Autonomie geführt: Die Hochschulen dürfen jetzt über die Gelder verfügen, die ihnen Bund und Länder um die Wette gekürzt haben.

Traditionell verfügen die bundesdeutschen Hochschulen über eine starke Autonomie. Sie war nach dem Krieg eingeführt worden, um eine Instrumentalisierung der Hochschulen wie im Nationalsozialismus künftig zu vermeiden. Doch daraus ist eine Autonomie der Professoren geworden, die ihrer Verantwortung für das Gesamtsystem längst nicht mehr gerecht werden. Die Solidarität, die Professoren und StudentInnen im Streik des vergangenen Winters zur Schau trugen, muß in Wahrheit erst mühsam wiederhergestellt werden.

Ob die Professoren sich auf die traditionelle Freiheit talartragender Ordinarien berufen oder auf die neoliberale Freiheit des Bildungs- und Arbeitsmarktes – das Ergebnis ist das gleiche: Die StudentInnen, die sich mit den Problemen der Massenuniversität als Folge von Unterfinanzierung und Kontaktmangel herumschlagen müssen, sind in den Entscheidungsprozessen marginalisiert.

Die Organe der verfaßten Studierendenschaft verformten sich zu Hüllen, die nur den Schein demokratischer Legitimation aufrechterhalten. Ihre Misere ist also nicht der politischen Unfähigkeit der StudentInnen zuzuschreiben, sondern dem Scheitern einer vom Staat propagierten Hochschulreform, die zu bloßer Rhetorik erstarrt ist.

Schon die 68er StudentInnen wollten die liberale Autonomie abschaffen und durch demokratische Mitbestimmung eine wirklich autonome Hochschule schaffen. Das neue Prinzip sollte lauten: Gruppenhochschule und Parität. Alle Hochschulmitglieder haben in ihr gruppenförmig organisierte gleiche Rechte, erst dadurch werden sie zu HochschulbürgerInnen. Diese Reform ist nicht gescheitert, wie neoliberale Ideologen behaupten. Sie wurde nie verwirklicht.

Es ist daher höchste Zeit, dem reduzierten neoliberalen Autonomiebegriff einen politischen Autonomiebegriff entgegenzusetzen. Die Freiheit des einzelnen darf nicht durch die Freiheit des Marktes ersetzt werden. Jörg Prante

Der Autor studiert an der Universität Bonn und war bis Mai dieses Jahres Mitglied der Bundeskoordination der grünen Hochschulgruppen

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