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Sommer of 2001

■ Bremens Schlagerkönige „Lars Vegas & die Heiterkeit“ sind Retter des Weltkulturerbes. Sie covern Wahres, Gutes, Schönes von Michael Holm bis France Gall

chuld war das schlechte Gedächtnis. Als Lars Münkewarf alias Lars Vegas 1991 bei einer Reise von Schülervertretern abends mit Kollegen am Lagerfeuer saß, die Klampfe in der Hand, fielen ihm irgendwann keine Rolling-Stones- und Bob-Dylan-Songs mehr ein. Da war einer ganz mutig und stimmte Michael Holm, Udo Jürgens und sogar den teuflischen Karel Gott an, und siehe da, alle konnten auf unfreiwillige Hör-Erfahrungen im Elternhaus zurückgreifen und sangen respektive gröhlten wacker und ungeniert mit.

„Es war ein regelrechtes Outing, und das, was wir damals noch unter Trashgesichtspunkt ironisch anpackten, fing mit der Zeit an, uns richtig zu gefallen. Aber das war ein schleichender Prozess.“ Zunächst fand Lars Vegas die Texte grauenhaft. Heute schätzt er den Mut zum Gefühl vieler Schlager. „'Er gehört zu mir' von Marianne Rosenberg ist nichts anderes als die abgekupferte deutsche Variante von Gloria Gaynors ,Never can say good bye' und manchmal übernahm sie sogar deren Phillysound.

Wie brisant und libertär Schlagertexte mitunter sein können, bekamen die Vier Bremer Stadtmusikanten von Lars Vegas spätestens 1995 zu spüren, als sie sich zu den Wahlen zum StudentInnenrat aufstellen ließen. Ihr Wahlkampflied war Bata Ilics Lied „Ich möchte der Knopf an deiner Bluse sein“ und auf dem dazugehörigen Plakat war – ziemlich verschwommen – eine Bluse samt darin steckender Person zu erahnen. Weil die Bluse nicht bis zum Kehlkopf atemzuschnürend zugeknöpft war, war sie eine sexistische Bluse, vielleicht sogar eine pornografische Bluse – und Lars Vegas als Studentenvertreter gründlich diskreditiert. Schon in den 70er Jahren wurde Bata Ilics „busenfetischistischem“ Lied eine ganze ZDF-Sendung gewidmet, die die Knopfproblematik aus frühfeministischer Sicht beleuchtete.

Ihr Knopftrauma konnten Lars Vegas aber 1997 bewältigen: Bei einer Schlagersession im Pier 2 durften sie zusammen mit Blusen-Ilic auftreten. Da hottete sogar eine Delegation von Querschnittgelähmten in ihren Rollstühlen wüst ab und lächelte dauer. Damals, erzählt der Mann mit den fulminanten Koteletten und der herzerweichend grandiosen Stimme, schwammen sie auf einer Erfolgswelle. Der Schlager hatte noch ein punkiges, subkulturelles Flair, und so nimmt es kein Wunder, dass sie besonders gerne von Gewerkschaften gebucht wurden – nicht zuletzt wegen des janusköpfigen sex appeals des Schlagers, der bei freakigen Techno-Kids ebenso ankam wie beim biederen Mittfünfziger. Beinahe hätten die Vegas eine Kompilation sämtlicher Europawahlkampfsongs der SPD beim legendären Bear-Family-Record-Label herausgegeben – hätte es nicht in letzter Minute rechtliche und logistische Probleme gegeben.

In Dortmund spielten sie open air beim Pressefest der DKP-Zeitung UZ vor tobenden 15.000 vollwertigen Exemplaren der sonst in der Unsichtbarkeit dahinvegetierenden Rasse echter Linker. Und Bassist Erich denkt noch heute mit Genuss daran, wie er neben Egon Krenz pinkelte. Es gibt sogar Fotos von den Veganern und Krenz, leider nicht vom gemeinsamen Pinkeln.

„Bis 1997 konnten wir gut von den Auftritten leben. 1999 war dann die Schlagerwelle fast vollständig verebbt. Seit letztem Jahr scheint es wieder aufwärts zugehen.“ Und zwar nicht nur für Verballhorner vom Schlag eines Stefan Raab oder Dieter Thomas Kuhn. Immerhin hat der Durchhänger die vier Jungs beflügelt, ihre akademische Karriere zu verfolgen. Bassist Erich studiert Anglistik und Musikwissenschaft, wenn er nicht gerade bei Kraft Kaffee von Regal zu Regal schleppt, um das Studium zu finanzieren. Gitarrist Thorsten steckt als angehender Spanischlehrer im Referendariat. Schlagzeuger Andreas hetzt gerade in einem Känguruhbeutel durch Australien und studiert dort nebenbei Sprachwissenschafen. Und Lars Vegas wurde vom Justizprüfungsamt ein ganz abgefeimtes Thema für seine Examensarbeit aufs Auge gedrückt: Ein Gutachten für den fiktiven Fall eines großen Bauprojekts in einem Naturschutzgebiet. In der letzten Klausur ging es um die Verabschiedung eines Katzensteuergesetzes, „absolut bizarr“; davor um den Streit zwischen pleite gegangenen Bauherren und Bauträger um die Zahlung der Dachdeckerarbeiten. Stoffe, aus denen man lieber keine Schlagertexte macht.

Auch die reichlichen Joberfahrungen der Veganesen, wie Handyverticken bei Brinkmann, Fahrgastbefragungen in der Straßenbahn und Maloche im Supermarkt, eignen sich nur manchmal. Denn der Schlager ist ein bedingungsloses Bekenntnis zum Harmoniebedürfnis, das manchmal über uns Menschen hereinbricht. Deshalb singen Lars Vegas auch gerne Cover-Versionen. Und besonders crazy wird es, wenn sie Bryan Adams „Summer of 69“ Eins zu Eins ins Deutsche übersetzen. bk

Lars Vegas singen am Samstag bei der taz -Fete im Moments erst gegen 22.30 Uhr – vermutlich, weil die Jura-Unibibliothek bis 22 Uhr offen hat. Sie werden flankiert von UrDrü und Meister Propper, ihren größten Bewunderern

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