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Somalische Bandy-Nationalmannschaft„Ocean Stars On Ice – Cool, was?“

Bandy ist die Urform des Eishockeys. Bei der WM in Sibirien startet auch ein Team aus Somalia – und das stammt aus „Klein Mogadischu“ in Schweden.

Elegant in der schwedische „Eliteserien“: Emil Viklund (l., IfK Vänersborg) gegen Martin Andeasson (Gais Bandy). Bild: imago/Kamerapress

BORLÄNGE taz | Chared Anwar war einer der großen Helden am ersten Spieltag der Bandy-Weltmeisterschaft, die dieser Tage im sibirischen Irkutsk ausgetragen wird. Bei dieser Hockeyvariante, die auf einer fußballfeldgroßen Eisfläche gespielt wird, geht es darum, einen kleinen Ball mit einem Schläger über das Spielfeld zu treiben und ihn in ein 3,50 x 2,10 Meter großes Tor zu befördern.

Noch nie zuvor in der Geschichte dieses Sports, die im 19. Jahrhundert in England begann, war es einem Spieler aus Somalia gelungen, bei einem großen Turnier ein Tor zu erzielen. Dass Anwars Team am Ende mit 1:22 gegen Deutschland verloren hatte, interessierte am Auftakttag der WM am Baikalsee niemanden. Die Geschichte der somalischen Bandy-Nationalmannschaft umso mehr.

Vor einem halben Jahr konnten viele von ihnen sich noch nicht einmal auf Inline-Skates fortbewegen. Jetzt stehen sie sicher auf Schlittschuhen und spiele Bandy. Viele schwedische Sportredaktionen glaubten an einen verspäteten Aprilscherz, als sie am 13. Mai letzten Jahres von der Gründung eine somalischen Bandy-Nationalmannschaft hörten, schließlich ist Somalia nicht unbedingt als Wintersportnation bekannt.

Und so verwundert es nicht, dass die Geschichte der ersten Bandymannschaft eines afrikanischen Landes nicht in Somalia begann, sondern in Borlänge. Die Stadt in der mittelschwedischen Provinz Dalarna hat unter ihren 50.000 Einwohnern einen hohen Anteil an Migranten. 3.000 von ihnen kommen aus Somalia. Fast alle leben im Stadtteil Tjärna Ängar, der in der Bevölkerung deshalb auch den Spitznamen „Klein Mogadishu“ trägt. Und mit dem „FC Swesom“ (Sweden-Somalia) haben die Somalier dort auch ihren eigenen Fußballverein. Doch die schwedische Winterpause ist lang.

Wollen sie vielleicht Bandy spielen? Die Regeln sind ähnlich. Es wird elf gegen elf gespielt. Patrik Andersson war auf die Idee gekommen, die Somalis anzusprechen. Er wurde Projektleiter von „Somalia Bandy“ und statt auf einen Einstieg in das nationale Ligasystem zielte er von vornherein auf eine somalische Nationalmannschaft und deren WM-Teilnahme ab. „Es war klar, dass wir damit viel mehr Aufmerksamkeit bekommen“, sagte er.

Bandy-Maradona als Trainer

Eine nach Stockholm eingeladene Delegation der somalischen Regierung und des nationalen olympischen Komitees Somalias gab grünes Licht: Die in Borlänge lebenden somalischen Bandyspieler dürfen offiziell als Nationalmannschaft antreten. Pelle Fosshaug, als schwedische Bandylegende und fünffacher Weltmeister so eine Art Bandy-Maradona wurde als Trainer angeheuert. Im Sommer wurde der Weg zur WM-Teilnahme endgültig geebnet durch die Mitgliedschaft im internationalen Bandyverband. In den man im übrigen gleichzeitig mit Deutschland aufgenommen wurde, wo das Bandy-Interesse derzeit wächst.

Auch wenn man beim schwedischen Bandyverband mittlerweile Feuer und Flamme für die somalische Mannschaft ist – es fehlte anfänglich nicht an skeptischen Stimmen, die um die Seriosität des Sports fürchteten: „Natürlich wollten wir nicht, dass da Leute an einer WM teilnehmen, die nicht einmal auf Schlittschuhen stehen können“, sagt Bandyverbands-Generalsekretär Marcus Norman.

Tatsächlich war die Schlittschuhbeherrschung ein Schwerpunkt beim Training der zwanzig vorwiegend 16 bis 19 Jahre alten Spieler. Und zur Unterstützung wurde auch eine Kunstlauftrainerin aus dem nahen Falun angeheuert. „Das mit der Balance war schwer“, erzählt der 19-jährige Ahmed. „Noch schwerer ist das Bremsen“, lacht der 15-jährige Alibashir. Und häufig wollen eben die Beine noch nicht so, wie es der Kopf gern möchte.

Der Begeisterung für die neue Sportart tut das keinen Abbruch. Für Mohamed ist es eine große Sache, dass plötzlich alle über „seine“ Mannschaft reden. Dabei scheint für den 19-jährigen eines noch viel wichtiger zu sein als das Interesse internationaler Medien zu sein scheint. Apopocalyps, eine Reggaeband mit Kultstatus aus Borlänge, hat ihnen einen Song gewidmet. „Go, go, go, Somalia“ heißt der Titel, der mit einer politischen Botschaft dahekommt: „Fight for human right!“ – „Cool, was?“, meint Mohamed: „Sie nennen uns Ocean Stars On Ice.“

Abhärtung im Tiefkühllager

Damit die Mannschaft schon früh einen Eindruck von den Temperaturen bekommt, die sie in Sibirien erwarten, gehörte zu den WM-Vorbereitungen der Besuch des Tiefkühllagers einer großen Lebensmittelfirma. Doch allen ist klar, dass in Irkutsk ein sportlicher Erfolg in der Gruppe mit Deutschland, Japan, der Mongolei und der Ukraine eine Sensation wäre. „Der Weg ist das Ziel“, umschreibt Trainer Fosshaug diplomatisch die Aussichten, und Patrik Andersson betont, dass „Somalia Bandy“ ja in erster Linie als Integrationsprojekt gestartet worden sei.

Borlänge hat mit Integrationsprojekten, die sich später zu einer richtigen sportlichen Erfolgsgeschichte entwickeln, durchaus Erfahrung. Als Sozialprojekt für die kurdische Bevölkerungsgruppe der Stadt war 2004 der Fußballklub Dalkurd FF gegründet worden. Er kletterte von Liga zu Liga nach oben und verpasste in der letzten Saison nur äußerst knapp den Aufstieg in die „Superettan“, die zweite schwedische Profiliga.

Wer sich bei der Geschichte über die somalische Bandymannschaft an eine jamaikanische Bobmannschaft erinnert, die bei den Olympischen Spielen 1988 im kanadischen Calgary an den Start ging, und an den Film „Cool Runnings“, der deren Geschichte erzählt, liegt nicht ganz falsch.

Ein Dokumentarfilm über die somalischen Bandycracks wird bereits produziert. Er soll am 6. Juni, dem schwedischen Nationaltag, uraufgeführt werden – in Borlänge und in Mogadishu. Passend zum Wahlkampf vor den schwedischen Parlamentswahlen wolle man damit in die Kinos kommen, sagt Mitproduzent Filip Hamar und damit einen Beitrag leisten zur Integrationsdebatte.

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