Solodebüt „Apto Machinam“ von Shaban: Wumms, wieher, knick-knack
Shaban, der Bruder von Käptn Peng, geht mit seinem Album auf Tour. Und zersägt sogar Rachmaninow mit dem Basswurststrahl.
Es gibt ja so Typen, die in zwei Minuten da sind, wenn das Haus brennt. Die Türen aufstemmen, Feuer löschen, Beine einrenken und Silberrücken-Pfeilgift-Ninjas mit dem Basswurststrahl zerbröseln. Shaban ist so einer.
Und dann gibt es diejenigen, die aus dem Feuer gerettet werden müssen. Kleine Brüder, die nicht allein an die Türklinke kommen. So einer ist Käptn Peng. Auch wenn die beiden Künstler eigentlich Hannes und Robert Gwisdek heißen, aber solche Namen kann man sich in einer Welt, in der man von Silberrücken-Pfeilgift-Ninjas auf die Fresse bekommt, nicht leisten – zumal die Verbindung zu den berühmten Schauspielereltern dann allzu offensichtlich wäre.
Also eben Shaban & Käptn Peng, der Schäfer und die Knalltüte, der Musiker und der Dichter, der Ältere (33) und der Jüngere (30). Vor zwei Jahren debütierten sie mit ihrem HipHop-Album „Die Zähmung der Hydra“, ein Jahr später unternahmen sie mit den Tentakeln von Delphi die „Expedition ins O“, dieses Jahr veröffentlichte Käptn Peng sein erstes Buch. Nur Shaban war bis vor einiger Zeit der ewige Zweite, das Plus Eins, der Sidekick, der Beatmaster neben dem MC. „Shaban, wo warst du denn so lange?“, fragt Peng auf dem ersten Album. „Ich hatte Abwasch in der Spüle und bei Aldi war ne Schlange.“ Ja ja, die Tücken des Alltags.
Hamburg: Uebel und Gefährlich, 10. 10.
Schwerin: Komplex, 11. 10.
Berlin: Roter Salon 12. 10.
Karlsruhe: Kulturverein Tempel, 14. 10.
Göttingen: Stilbruch, 15. 10.
Freiburg: White Rabbit, 16. 10.
Leipzig: Schaubühne Lindenfels, 18. 10.
Wie gut, dass Shaban zwischen Haushalt und Einkaufen doch noch Zeit gefunden hat, seine Maschine zu rüsten. „Apto Machinam“ heißt sein Soloalbumdebüt, das im April erschienen ist und mit dem er jetzt auf Tour geht. Und Deus-ex-machina-Momente, in denen eine Gottheit mithilfe eines Krans auf der Theaterbühne auftaucht, gibt es darauf reichlich. Vermutlich, weil Shaban nicht nur Klangausstatter, DJ und Produzent, sondern auch Theatermusiker ist und weiß, wie man Effekte schafft und Stimmungen hervorruft.
Trotzdem ist das Album nicht gerade eingängig, eher zwei-, nein drei-, pffff, unendlichgängig!, und mindestens so lang wie die Nervenbahnen des Gehirns eines erwachsenen Menschen, also 5,8 Millionen Kilometer. Mit einer beinahe hörbaren Freude am Frickeln feuert Shaban mit dem Basswurststrahl auf die Synapsen, bis sie sich auflösen und neu zusammensetzen. Als Hintergrundmusik für Sex ist das eher weniger geeignet, auch wenn es sich durch alle Öffnungen fräst, die der Körper so hergibt.
Harmonie vorgaukeln
„Apto Machinam“ besteht aus elf Stücken und geht ziemlich genau, also annähernd, jedenfalls ungefähr 42 Minuten lang. Und 42 ist ja bekanntlich die Antwort auf alles: auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest.
Die Stücke tragen Namen wie „Waltan“, „Gwynplaine“ und „Veloziped“, und einige von ihnen gaukeln zumindest anfangs erfolgreich Harmonie vor. Allen voran das zum Heulen schöne „Ich und R“, bei dem Shaban Rachmaninows Präludium in cis-Moll sampelt und die durch wuchtige Oktaven imitierten russischen Glocken mit elektronischen Klängen unterlegt. Das sphärische, jazzige „Who’s Lucy“ wäre ohne das störende Knarzen, Knacken, Tropfen und Rascheln und die herabfallenden Münzen schon beinahe abstoßend loungig. „Veloziped“ ist ist eine akustische Fahrradtour mit viel Boing Boing und Parallelen zu Ratatat und Kraftwerk, „Gwynplaine“ wiederum hört sich an, als würde man Amélie aus ihrer fabelhaften Welt in einen Horrorfilm katapultieren.
Der Rest des Albums ist weniger leicht verdaulich, aber das ist bei Vollkornbrot ja auch so, und trotzdem ist es gesünder als helles. Bei „Violate“ gilt der Titel offenbar auch für das Taktschema, das in jeder Hinsicht missachtet wird, und während einem Smack-my-bitch-up-mäßig der Kopf weggeknallt wird, schraubt sich im dazugehörigen Video ein Delfin anmutig zu gescratchten Platten aus dem Wasser. Wahnsinnig anstrengend ist auch „Waltan“, dessen Melodie sich durch den Beat aus wabernden Ostseesteinen zu sägen scheint.
Eines scheint die Gebrüder Gwisdek jedenfalls zu vereinen: Der eine spielt mit Klängen wie der andere mit Sprache. Der Käptn pengt und onkt, Shaban wummst, wiehert und knick-knackt. Und obwohl der kleine Bruder diesmal eigentlich nicht an dem Album beteiligt ist, mischt er uneigentlich doch wieder mit: Er ist verantwortlich für einige der Videos, windet sich in „Ungleichungen“ mit anderen Tänzern durch ein unrenoviertes Haus und schält sich aus seinem Körper wie die Melodie aus dem Klangwirrwarr. Am Ende bleibt eben doch alles in der Familie.
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