: Solidarnosc-Führung droht mit neuen Streiks
■ Walesas Koalitionsangebot wird von den Kommunisten attackiert / Politbüro sieht Vereinbarungen am runden Tisch in Gefahr / Solidarnosc-Warnstreiks für Freitag angekündigt / Kleinere Parteien prüfen das Koalitionsangebot von Walesa
Warschau (ap/dpa/taz) - In Polen hat sich die innenpolitische Situation verhärtet. Das Koalitionsangebot des Solidarnosc-Vorsitzenden Lech Walesa an die nichtkommunistischen Parteien und die Drohung der Gewerkschaft mit landesweiten Protestaktionen haben zu heftigen Reaktionen bei der Kommunistischen Partei geführt. Das Politbüro wertete Walesas Vorstoß als innenpolitischen Destabilisierungsversuch, der darauf abziele, die traditionellen Bande zwischen der PVAP, der Bauernpartei und der Demokratischen Partei zu zerschlagen. Zudem fürchtet das Politbüro, der Ausschluß der Kommunisten aus der Regierung könne die Vereinbarungen zunichte machen, die im April mit der bisherigen Opposition am runden Tisch erzielt worden seien. Die PVAP begründet ihre Kritik damit, daß Kiszczak von der Parlamentsmehrheit mit der Regierungsbildung beauftragt worden sei. Demgegenüber argumentiert Walesa, daß mit der Wahl Jaruzelskis zum Staatspräsidenten und Kiszczaks zum Regierungschef im Bewußtsein der ohnehin verzweifelten Nation alles beim alten bliebe. Daß trotz des Wahlsiegs der Solidarnosc zwei Generäle an der Spitze stünden, verbittere die Bevölkerung.
Unterdessen hat die nationale Leitung der Solidarität (KKW) damit gedroht, im ganzen Land Protestaktionen gegen die Sozialpolitik der Regierung zu organisieren. Die personellen Entscheidungen der letzten Wochen trügen nicht zur Lösung der sich verschärfenden politischen und sozialen Krise in Polen bei. Deshalb müßten die regionalen Leitungen der Solidarität in Absprache mit der Gewerkschaftsbasis überlegen, welche Maßnahmen gegen die Politik der Regierung zu ergreifen seien. Nachdem die Streikaktionen der letzten Tage sich an der Gewerkschaft vorbei entwickelten, will Solidarnosc jetzt offensichtlich die Kontrolle über den sozialen Protest zurückgewinnen.
Die Bauernpartei und die Demokratische Partei hatten am Dienstag erklärt, sie prüften das Koali tionsangebot des Arbeiterführers. Der Solidarnosc-Fraktionsvorsitzende Bronislaw Geremek sagte gestern, bis zum 23. oder 24.August, wenn Kiszczak seine Ministerliste vorlegen werde, „haben wir Zeit für Verhandlungen“.
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