: Solidarisch mit den Gülers
■ Deutsche Botschaft bemüht sich „formell und informell“ um die Familie Güler / Bremer Solidaritätsdelegation in die Türkei?
Knapp 150 ausländische und deutsche BremerInnen kamen am Montagabend ins Bürgerhaus Weserterrassen, um sich über die Verhaftung der Familie Güler zu informieren und mit dem Solidaritätskomitee über Schritte zu ihrer Freilassung zu beraten. Wie berichtet, werden Ahmet Güler, Besitzer des Buchladens „Fidan“ am Sielwall, und seine Eltern seit dem Donnerstag der vergangenen Woche vermißt. Sie waren auf einer Urlaubsreise in der Türkei und sind vermutlich bei einer Straßenkontrolle festgenommen worden. Offensichtlich versucht die türkische Polizei, die Festgenommenen in Verbindung mit dem Ausbruch von 18 zum Tode verurteilten politischen Gefangenen zu bringen, die bereits im August aus dem Gefängnis von Kirshehir (Zentralanatolien) fliehen konnten. Seit dem erfolgreichen
Ausbruch hat die türkische Polizei hunderte von Menschen bei Razzien und auch auf offener Straße festgenommen. Unter den Festgenommenen sind nun auch vier „deutsche“ Türken: Neben den Gülers befindet sich auch der Lehrer Oguz Lüle aus München in Haft.
Mustafa Güler, der 56 Jahre alte Vater Ahmets, arbeitet im Bremer Daimler-Werk und hätte eigentlich am Montag seine Arbeit wieder aufnehmen müssen. Der Betriebsrat hat die Personalabteilung über die vermutlichen Hintergründe seines Fernbleibens informiert, damit ihm daraus keine arbeitsrechtlichen Nachteile entstehen. Auch die IG Metall, der Mustafa Güler angehört, ist aktiv geworden. Über den Gewerkschaftsverband „Türk-Is“, die einzige zugelassene Arbeiter-Organisation des Landes, hat er
zwei türkische Anwälte beauftragt. Sie sollen bei den türkischen Behörden Auskunft über den Verbleib der Familie fordern.
Auch der Vorstand des Daimler-Benz-Konzerns soll sich für die Verhafteten einsetzen. Darum ist der Personalchef des Bremer Werks gebeten worden. Eine Antwort steht noch aus.
Die Bremer Senatoren für Justiz, Soziales und Arbeit sind von dem „Komitee für die Freilassung von Oguz Lüle und Familie Güler“ um Unterstützung gebeten worden. Sie wandten sich an das Auswärtige Amt in Bonn und an die deutsche Botschaft in Ankara. Die Botschaft sei angewiesen, sich auf formellen und informellen Wegen nach dem Verbleib der Gülers zu erkundigen und sich für ihre Freilassung einzusetzen, sagte der für die Türkei zustän
dige Referent Dr. Born gestern. Allerdings könne man gegenüber den türkischen Behörden „keine deutschen Interessen reklamieren“, weil die Gülers zwar seit langem in der Bundesrepublik lebten, aber nach wie vor türkische Staatsbürger seien. Die deutschen diplomatischen Stellen hätten also kein „völkerrechtliches Interventionsrecht“. Andererseits sei die Türkei jetzt gegenüber Kritik an ihrer Rechtsstaatlichkeit sehr empfindlich: Der Besuch des Staatspräsidenten Kenan Evren in der Bundesrepublik stehe bevor.
Lange wurde auf der Versammlung am Montag darüber diskutiert, ob eine Bremer Delegation in die Türkei reisen und dort öffentlichen Druck auf die Behörden ausüben soll. Gestern abend wollte das Solidaritätskomitee darüber entscheiden.
mw
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen