: „Solidarisch, machtkritisch, gut“
Ebru Taşdemir und Ruben Neugebauer sind neu im Kuratorium der taz Panter Stiftung. Im Gespräch mit der Stiftung geht es um Vielfalt, Chancengleichheit und die Frage, was Haltung im Journalismus heute bedeutet
InterviewMercan Kentel
taz Panter Stiftung: Seit 2025 seid ihr Kuratoriumsmitglieder der taz Panter Stiftung. Gewählt wurdet ihr für sechs Jahre von dem derzeitigen Kuratorium. Was zeichnet die taz Panter Stiftung in euren Augen aus?
Ebru Taşdemir: Aus meiner Zeit mit taz.gazette kann ich die taz Panter Stiftung so zusammenfassen: Solidarisch. Machtkritisch. Gut. Sie ist eine Plattform für ein Feuerwerk an Ideen und an Menschen, die an diese Ideen glauben.
Ruben Neugebauer: Dem schließe ich mich an. Wir haben im Moment gesellschaftliche Entwicklungen, die gesellschaftskritischen und machtkritischen Journalismus erfordern. Wenn man sich progressiv und seriös gegen Macht stellt, gibt es oft wenig Unterstützung, welche besonders junge Leute brauchen. Die taz Panter Stiftung leistet einen wertvollen Beitrag dazu.
taz Panter Stiftung: Welche Assoziation erweckt das Wort Stiftung bei euch?
RN: „Privilegien“ ist das Erste, was mir bei Stiftungen einfällt. Ich finde es sehr wichtig, das zu durchbrechen, und denke, die taz Panter Stiftung bemüht sich glaubhaft, das zu tun.
ET: Es gibt sehr viele große Stiftungen, die Einfluss auf den gesellschaftspolitischen Diskurs haben, und ich freue mich, dass Ruben und ich bei einer linken Stiftung mitwirken, da man diese Privilegien bei der taz Panter Stiftung durchbrechen will. Aber auch bei der taz Panter Stiftung gibt es noch genug zu tun.
RN: Es gibt sehr viele junge Journalist*innen, die sich das nicht leisten können. Man soll alle möglichen Praktika gemacht haben, möglichst unbezahlt. Das können sich natürlich diejenigen leisten, die sowieso schon privilegiert sind. Das ist ein spannendes Feld, wo ich gerne mit der taz Panter Stiftung reingehen möchte.
taz Panter Stiftung: Warum braucht das Stiftungswesen unterschiedliche Perspektiven und Stimmen?
RN: In den letzten zehn Jahren war der Migrationsdiskurs sehr bestimmend. Dieser Ablenkungsdiskurs führt in der Praxis dazu, dass Vielfalt an Akzeptanz verliert, ohne dass es dafür einen greifbaren, relevanten Grund gibt. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft der Vielen, die wir de facto haben, sichtbar ist.
Was ist die taz Panter Stiftung?
Wir fördern kritische Journalist*innen im In- und Ausland. Mit dem Panter Preis zeichnen wir Menschen aus, die sich für eine gerechtere Gesellschaft und eine lebenswerte Umwelt einsetzen.
Mehr als 6.500 Spenderinnen haben in 17 Jahren fast 200 journalistische Projekte mit 6 Millionen Euro finanziert.
Weitere Infos und Spenden
Tel: 0 30-25 90 22 13
Konto: taz Panter Stiftung
GLS-Bank Bochum
IBAN DE97 4306 0967 1103 7159 00
BIC GENODEM1GLS
ET: Migration gab es schon immer, und es ist immer ein Mehrgewinn. An ganz vielen Plätzen in Deutschland finden diese Begegnungen ja statt – in der Arbeit, im Privaten. Aber ich merke, dass die Stimmung wirklich anders geworden ist.
taz Panter Stiftung: Ihr beide bringt neue Perspektiven in das Kuratorium. Wo seht ihr Ansatzpunkte, um Impulse zu setzen?
ET: Manchmal fragt man sich als Journalistin ja schon: Was mache ich hier eigentlich? Die taz Panter Stiftung leistet diese Übertragung, wo man wieder weiß, warum Journalismus so wichtig ist. Vor allem linker Journalismus mit der machtkritischen Perspektive lenkt den Blick auf Privilegien. Was mir auch sehr am Herzen liegt, ist Nachwuchsförderung im Sinne von: Wessen Stimme sollte gehört werden und wer braucht das Handwerkszeug, um Journalist*in zu werden.
RN: Ich habe früher auch als Journalist gearbeitet. Wenn ich seriös berichten möchte, muss ich immer sauber arbeiten, auch wenn ich progressive Inhalte vertrete. Gerade in Zeiten von KI-Videos und Fake News ist es sehr wichtig, sich mit einem Thema ausführlich zu beschäftigen. Da bin ich als Aktivist automatisch nah dran, aber diese Nähe sollte einem nicht falsch ausgelegt werden. Es gibt im Fotojournalismus den Satz: „If your pictures are not good enough, you are not close enough.“ Damit war auch die Haltung gemeint. Die taz ist eines der wenigen Medien, wo die Haltung sehr klar ist, und die taz Panter Stiftung ist ein guter Ort, um daran zu arbeiten.
Ruben Neugebauer, Kuratoriumsmitglied
taz Panter Stiftung: Ebru, du warst bereits viele Jahre für die taz tätig. Wie ist es für dich, in deiner neuen Rolle nun wieder im taz-Kosmos zu sein?
ET: Ich habe den Kontakt zum Haus nach meinem Weggang ja weiterhin gehalten. Journalismus bedeutet für mich vernetzen und einander unterstützen. Es ist wichtig, dass man sich in der taz Panter Stiftung durch das taz Panter Volontariat oder Workshops für junge Nachwuchsjournalist*innen für vielfältige, perspektivenweitende Journalist*innen einsetzt, die sich an die Standards halten, aber auch aktivistisch unterwegs sind. Das ist kein Widerspruch für mich. Diese Zweiteilung kann man sich in manchen Ländern gar nicht leisten. Letztendlich müssen wir uns aufstellen für das, was in der Zukunft kommt. Und da sehe ich die taz Panter Stiftung auf jeden Fall ganz vorne mit dabei.
taz Panter Stiftung: Ruben, wie fügt sich dein Verständnis von aktivem Handeln in deine Rolle als Kuratoriumsmitglied ein?
RN: Ich war natürlich nie allein. Das ist ganz wichtig. Was ich ansonsten wichtig finde, ist, gesellschaftliche Debatten intersektional zu betrachten. Im Journalismus gibt es einen großen blinden Fleck beim Klassismus. Beim Aktivismus ist das genauso. Ich glaube, dass dieser Klassismus im Journalismus einen viel größeren Impact auf die Gesellschaft hat, als wir uns das vorstellen. Das Problem löst sich nur dann, wenn man vielfältige Perspektiven tatsächlich auch sichtbar macht. Da kann die taz Panter Stiftung eine wichtige Rolle spielen. Es ist zumindest für mich ein Ziel.
Ebru Taşdemir (*1973) war Mitglied der Redaktion des zweisprachigen Stiftungsprojekts taz.gazete. Sie ist Redakteurin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
taz Panter Stiftung: Nächstes Jahr wird die taz Panter Stiftung 18. Das Älterwerden der Stiftung verbinden wir auch mit der Notwendigkeit, jüngere Generationen stärker für unabhängigen Journalismus und Pressefreiheit zu begeistern. Neue Informationsgewohnheiten erschweren diese Arbeit. Habt ihr Ideen, wie sich die Aufmerksamkeit junger Menschen gewinnen lässt?
ET: Zeigen, was Journalismus alles kann. Wir müssen schauen, wofür die Menschen eigentlich journalistische Berichterstattung haben wollen, denn sonst haben wir keine Aufgabe. Wir müssen lernen, was die Menschen unter Medien verstehen. Das würde ich mir wünschen: Dass wir Türen öffnen und selbst viel mehr hingehen.
RN: Jede*r ist heute sozusagen Publizist*in, da man schreibt, Videos macht und Inhalte transportiert. Wir müssen nicht gucken, wie man Leuten Journalismus schmackhaft macht. Eigentlich ist es umgekehrt. Wir können von den Leuten lernen, wie man heute Themen kommunizieren kann, die Menschen auch erreichen und die auch weggehen von Scheindebatten. Es gibt sehr viele Debatten, wo saubere journalistische Recherche wichtig wäre und wo die Menschen in den sozialen Medien zum Teil auch darüber reden. Es gibt tolle junge Influencer*innen, die politische Themen erklären. Da mehr zu gucken, wie man solche Leute fördern kann, weil sie im Journalismus ganz gut aufgehoben wären. Und zu gucken, wie man Formate entwickeln kann, in denen man sich gegenseitig unterstützt und voneinander profitiert.
Ruben Neugebauer (*1989) ist Mitgründer von Sea-Watch. Heute arbeitet er für CADUS in Krisengebieten.
taz Panter Stiftung: Danke euch. Ich nehme sehr viel mit aus unserem Gespräch. Ich wünsche euch einen guten Start im Kuratorium.
RN: Danke dir!
ET: Dir auch einen guten Start.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen