Soldaten mißhandelt

■ Jahresbericht von Claire Marienfeld, Wehrbeauftragte der Bundeswehr

Bonn (dpa) – Der Bundeswehr fehlen wegen der hohen Zahl von Kriegsdienstverweigerern bald die Rekruten, so die Einschätzung der Wehrbeauftragten des Bundestages, Claire Marienfeld (CDU). Sollte es bei dem ansteigenden Trend zum Zivildienst bleiben, werde es große Probleme für die Beibehaltung der Wehrpflichtarmee geben, sagte Marienfeld bei der Vorlage des Jahresberichtes 1995 gestern in Bonn. Sie beklagte, daß Soldaten durch Vorgesetzte mißhandelt würden, daß sich das zwischenmenschliche Klima in der Armee verschlechtert habe und ein bedeutender Anstieg des Drogenmißbrauchs in der Bundeswehr zu verzeichnen sei.

Die Wehrbeauftragte verwies darauf, daß im vergangenen Jahr 160.659 Männer den Wehrdienst abgelehnt haben. Dies übersteige die bisherige Rekordzahl von 151.212 im Jahr des Golfkrieges 1991. Der Trend in der Gesellschaft richte sich „bedrohlich“ gegen den Wehrdienst. Marienfeld sprach von einer „Ohne-mich-Haltung“. Die Bundeswehr komme auch in den Schulbüchern nicht vor. Marienfeld forderte die Kultusminister auf, dafür zu sorgen, daß die Wehrpflicht im Unterricht behandelt wird. Der Drang junger Frauen in die Bundeswehr halte ungebrochen an. Es gebe aber keine parlamentarische Mehrheit für eine generelle Öffnung der Bundeswehr für Frauen.

Die Entscheidung der Verfassungsrichter zu der Äußerung „Soldaten sind Mörder“ sind bei der Bundeswehr nach den Worten von Marienfeld auf Unverständnis gestoßen. Als ein Kind in der Schule sagte, sein Vater sei Soldat, habe es vom Lehrer und den Mitschülern zu hören bekommen: „Also auch so ein Mörder.“ Marienfeld forderte die Soldaten auf, mehr Flagge in der Öffentlichkeit zu zeigen. Sie sollten Uniform tragen und Manöver im freien Gelände abhalten. Es ist der erste Jahresbericht von Claire Marienfeld. Sie war im März 1995 vom Bundestag als erste Frau in das Amt der Wächterin über die Grundrechte der Soldaten gewählt worden.

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