piwik no script img

„Solche Politk ist unerträglich“

■ CDU/SPD/Grüne/FDP einig: Wahlkampf für den 14. Mai

Nach der Rede des Bürgermeisters Wedemeier gestern in der Bürgerschaft demonstrierte die SPD-Fraktion mit tosendem Beifall, daß sie zu ihrem ersten Mann steht. Claus Dittbrenner, Fraktionsvorsitzender in der ersten Reihe, muß sich hinterher die Knöchel gerieben haben, so trommelte er die vollen zwei Minuten lang demonstrativ laut auf das hölzerne Pult vor ihm. Neben ihm saß Reinhard Barsuhn, stellvertretender Fraktions-Vorsitzender der SPD, und bewegte keine Hand - er verweigerte dem SPD-Spitzenmann demonstrativ und für alle sichtbar den Beifall.

Dabei hätte die Rede Wedemeiers durchaus Beifall verdient, selbst von jemandem, der micht jedem Detail zustimmen kann. Wedemeier hatte an sozialdemokratische Aufbau-Leistungen für Bremen in der Nachkriegszeit erinnert und den CDU-Spitzenkandidaten Ulrich Nölle auf wunderbar penetrante Weise gelöchert, was er denn wohl gemeint habe, wenn er so blumig das Stichwort „solidarische Gesellschaft“ in die Debatte geworfen habe, während die CDU die Spaltung der Gesellschaft praktisch vorantreibe. Über Nölles simple Gegensatz-Bildung „Idylle“ oder „Oberzentrum“ machte sich Wedemeier nur noch lustig („...wenn ich mir meine eigene Idylle schon geschaffen habe“). Zu der polemischen Alternative „Naturschutz“ oder „Arbeitsplätze“ konterte Wedemeier: „Solche Politk ist unerträglich“, Nölle hätte bei der letzten Rede des CDU-Politikers Rommel in Bremen besser zuhören sollen. Überhaupt solle Nölle, der sich in den Details der Landespolitik als nicht immer auf dem aktuellen Stand erwies, „Teile seiner Rede denen um die Ohren schlagen, die sie geschrieben haben“, triumphierte Wedemeier, rhetorisch dem Sparkassen-Vorstand haushoch überlegen.

Nölle selbst ging nicht mehr nach vorn, um auf die Wedemeier-Attacke zu antworten, sondern überlies das dem rhetorisch erfahreneren Fraktionschef Peter Kudella. Nölle hatte zu Beginn der Debatte eine sehr allgemeine Wahlkampfrede vorgelesen und die Ampel eine „Koalition des Verharmlosens, Vertuschens und Verdrängens“ genannt.

Für die FDP reklamierte Heinrich Welke Entscheidungen in der Verkehrs-, Wirtschafts- und der Bildungspolitik für die FDP. Nach der „anfangs guten Zusammenarbeit zwischen Grünen und FDP“ sei es aber dann zu einem Stocken der erforderlichen Strukturreformen gekommen. Als Beispiele nannte Welke den Abbau der Personalvertretungs-Rechte. Die „Arbeitsgruppe Aufgabenoptimierung“ des Senats habe nicht mehr gearbeitet, nachdem Wedemeier den Vorsitz übernommen hatte.

„Kein Wort zur Innenpolitik“, mußte Welke sich von der SPD zurufen lassen - der aus der FDP gerade ausgetretene Innensenator van Nispen saß ein wenig schmunzelnd auf der Regierungsbank.

„Sie sitzen zwischen allen Stühlen“, kommentierte der Grüne dieter Mützelburg die FDP-Position, nahm dann aber in einer auch von der SPD mehrfach beklatschten Rede genüßlich die Rede Nölles auseinander. Wenn Nölle von „politischer Kultur“ rede, so Mützelburg, dann müsse er auch genau hinschauen, mit wem er da Mehrheiten bilden will. Die Bremerhavener Wahlampf-Anzeige der „Arbeit für Bremen“ (AfB) mit der Rotgrün-Giftflasche in der toten Hand (s. Faksimile Seite 22) hochhaltend rief Mützelburg empört über soviel Primitivität: „Ich weiß, an wen sich sowas richtet: an die DVU-Wähler.“

Beinahe einstimmig beschloß die Bürgerschaft - die abgeordneten der DVU waren allerdings nicht anwesend - vorzeitige Neuwahlen für den 14. Mai. Die Stadtverordneten Bremerhavens müssen sich bis zum 11. März entscheiden, ob sie sich dem vorgezogenen Landtagswahltermin anschließen wollen.

K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen