Solardach in Zehlendorf: Umwelt sticht Denkmalschutz
Hausbesitzer in denkmalgeschützter Wohnsiedlung darf eine Solaranlage auf dem Dach errichten, sagt das Verwaltungsgericht - für Fachjuristen ein "wegweisendes Urteil".
Was ist wichtiger: Denkmalschutz oder Umweltschutz? In Deutschland ist der Denkmalschutz eigentlich heilig, doch nach einem aktuellen Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts könnte sich dies in Zukunft ändern. Daraus geht hervor, dass der Denkmalschutz zugunsten des Umweltschutzes in bestimmten Fällen vernachlässigt werden kann.
Zwei Hausbesitzer waren vor Gericht gezogen, weil ihnen vom Denkmalschutzamt keine Genehmigung dafür erteilt wurde, auf ihrem denkmalgeschützten Haus "Am Fischtalgrund" in Zehlendorf eine Solaranlage zu errichten. Denn die Behörde befürchtet, dass es nicht bei der einen Anlage bleibt, und möchte das ursprüngliche Fassadenbild erhalten. Das Verwaltungsgericht sah das anders.
Es kam zu dem Ergebnis, dass eine Solaranlage den originalen Charakter der Wohnsiedlung nicht beschädige, so der Sprecher des Verwaltungsgerichts, Stephan Groscurth. "Schließlich führe der im Grundgesetz verankerte Umweltschutz dazu, dass Einschränkungen im Erscheinungsbild eines Denkmals unter dem Gesichtspunkt Energieeinsparung eher hinzunehmen sei", so Groscurth in einer Mitteilung des Gerichts.
Der Fachanwalt für Immobilienrecht, Detlef Koßatz, hält die Entscheidung für wegweisend. "Das Urteil ist relativ ungewöhnlich, weil in Deutschland der Denkmalschutz eigentlich sehr hoch gehalten wird", sagte er der taz. Er rechne damit, dass noch weitere Klagen gegen Denkmalbehörden folgen könnten.
Die Häuser im Fischtalgrund wurden 1928 als sogenannte Versuchssiedlung für günstigen Wohnraum errichtet. Die Dächer sorgten schon damals für Aufregung. Die Planer konnten sich über die Dächergestaltung nicht einigen. So bekamen die Häuser im Fischtalgrund spitz zulaufende Satteldächer mit 45-Grad-Neigung, während in der benachbarten "Waldsiedlung" nur Flachdächer geschaffen wurden.
Die Denkmalschutzbehörde wollte nun verhindern, dass der so genannte "Zeugniswert" des damaligen Dächerkriegs künftig von Solaranlagen beeinträchtigt wird. Weil das Urteil von grundsätzlicher Bedeutung ist, kann die Denkmalschutzbehörde gegen die Entscheidung Berufung einlegen. Ob sie das tun wird, konnte auf taz-Anfrage niemand beantworten. Der Fall würde dann erneut vor dem Oberwaltungsgericht verhandelt.
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