Sol y Sombra: Schall ist schau
■ Jones droht Lärmschutzdisqualifikation
„Mister Marion Jones“ wird C.J. Hunter gelegentlich etwas despektierlich in der amerikanischen Presse genannt, und es tat ihm sichtlich wohl, nach seinem WM-Sieg im Kugelstoßen am Samstag auch einmal im Rampenlicht zu stehen. Es dauerte indes nur einen Tag, bis die werte Gattin die Maßstäbe wieder zurecht rückte, und dies unter tatkräftiger Mithilfe von C.J. selbst. Der könnte, wenn es einen solchen Wettbewerb gäbe, gut und gerne auch Weltmeister im Brüllen werden, und Marion Jones hätte nach ihrem Sieg im 100 m-Lauf eigentlich wegen unzulässigen Rückenwindes disqualifiziert werden müssen angesichts der orkanartigen Schallwellen, die ihr das gewichtige Ehegespons hinterherjagte. Nötig hatte sie die familiäre Unterstützung nicht. Seit zwei Jahren hat die 23-Jährige keinen Lauf über 100 Meter mehr verloren, und es sieht nicht so aus, als wenn ihr ein solches Missgeschick in naher Zukunft widerfahren könnte. Weder Inger Miller, Tochter des Jamaikaners Lennox Miller, der einst mit Valeri Borsow und Jim Hines um die Wette rannte, noch die propere Griechin Ekaterina Thanou und schon gar nicht die wunderbare Stilistin Christine Arron konnten sie in Sevilla annähernd gefährden. Eine andere Sache sind die 200 Meter, Spezialdisziplin von Inger Miller, die ihre Bestleistung auf der kurzen Sprintstrecke in Sevilla um wundersame 1,7 Zehntelsekunden steigerte. Das klingt nicht unverdächtig, hängt aber – abgesehen von der schnellen WM-Bahn – unter anderem mit ihrer stark verbesserten Technik zusammen, die sie gemeinsam mit Weltmeister Maurice Greene und Ato Boldon bei Trainer John Smith paukt. „Es ist kein Spaziergang im Park mehr“, musste selbst Marion Jones einräumen. Das Ziel der Familie Marion C.J. Jones Hunter, in Sydney sechs Goldmedaillen zu gewinnen, könnte sich schwieriger gestalten als erwartet.
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Die 100 m-Läufe sind traditionell einer der Höhepunkte jeder Leichtathletikmeisterschaft, am Sonntag waren sie jedoch nichts gegen einen Zwischenlauf. Der Jubel, den Maurice Greene umstandslos auf sich bezog, galt längst nicht mehr dem Sprintkönig und seiner Ehrenrunde, sondern zwei schmächtigen Herren, die soeben die Bahn betreten hatten: Fermin Cacho und Reyes Estévez, die heute abend im Finale über 1.500 Meter dem Marokkaner Hicham El-Guerrouj auf die Pelle rücken wollen. Schon das Semifinale, in dem sich die beiden Nationalhelden locker für den Endlauf qualifizierten, geriet zum Volksfest, als Zugabe wurde dem Publikum noch das zweite Rennen geboten, in dem sich auch der schwächer eingeschätzte Landesmeister Andrés Diaz qualifizierte. Die Herzen fliegen jedoch Cacho, dem alten Kämpfer, Olympiasieger von 1992, und Reyes Estévez, dem jugendlichen Europameister mit dem Jim-Jarmusch-Gesicht, zu. Als das spanische Trio in einem öffentlichen Park von Sevilla eine Trainingseinheit absolvierte, hing sofort eine Traube von begeisterten Freizeitjoggern hinter ihnen, die so rapide anwuchs, dass der begleitende Polizist fragte, ob er einschreiten solle. Antwort der Zentrale: Kein Problem, das erledigt sich von selbst. Und so geschah es: Binnen kurzem waren die drei wieder allein. Im heutigen Finale werden sie nicht so leicht entkommen. Der Pfahl im Fleische Spaniens heißt El-Guerrouj, und außerhalb Iberiens fragt man sich ohnehin viel gespannter, ob der 20-jährige Noah Ngeny endlich die seit Henry Ronos Olympiasieg 1988 währende kenianische Flaute auf der 1.500 m-Strecke beenden kann. Matti
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