PRESS-SCHLAG: Sören kommt!
■ Aus dem Raritätenkabinett des FC Bayern
Sören kommt“, ruft einer im Medienvertreterraum des FC Bayern München. So etwas gibt es tatsächlich, einen Medienvertreterraum, zugänglich nur für Vertreter der Medien eben und deren Wunschgesprächspartner; es gibt noch viel mehr in München, was es anderswo nicht gibt. Denn der FC Bayern München steht zwar zur Zeit nur auf Platz 14 der Tabelle, das aber vom Feinsten. So gibt es Heizröhren, damit die Schuhe der angestellten Fußballer wohltemperiert sind, einen Schuhschlucker mit Direktleitung zum Schuhputzer für die dreckigen Töppen und daneben einen Wäscheschlucker mit Direktleitung in die Wäscherei für die (zur Zeit eher seltener) verschwitzte Wäsche. Das gibt es alles.
Oder den Ruf „Sören kommt“! Dann packen die Medienvertreter im Medienvertreterraum schnell ihre Zigaretten beiseite, und ein weiteres Unikat des FC Bayern München betritt die Szene. Das mit den Zigaretten geschieht nicht etwa, weil Sören abstinent wäre wie sein Vorgänger Jupp. Nein, in dem einen Monat, in dem Sören als unlizensierter Chef-Entertainer für 137 gefallene Fußballer (in Wirklichkeit sind es nur 22, werden aber täglich mehr) und 97 gestandene lizensierte Trainer (in Wirklichkeit sind es nur zwei und ein Konditionstrainer, können aber täglich mehr werden) werkelt, seitdem also Sören bei den Bayern ein- und ausgeht, greift er auch schon mal gerne im Medienvertreterraum zu den Zigarettenpackungen der Medienvertreter. Sören raucht viel, so drei in der Minute.
Nicht, weil Sören kein Geld hätte. So gut geht es dem FC Bayern immer noch, daß er Sörens Nikotinquantum finanzieren könnte, nee, Sören ist Kumpel. Er sitzt mit allen in einem Boot, da reicht die letzte Zigarette auch für zwei. Daß alle in einem Boot sitzen in dieser bleiernen Zeit, hat auch Beckenbauer gesagt, als er auf vielfachen Wunsch heim zu dem Verein gekommen ist, dem er so viel zu verdanken hat. War ja auch höchste Zeit, nachdem der Rekordmeister von kleinen Dänen 6:2 vermöbelt worden war. Und dann ist der Kaiser aus Kitzbühel angereist, läßt sich zum Vizepräsidenten berufen, um den Verein vor der Auflösung, die schöne Geschäftsstelle mit den Heizröhren vor der Abrißbirne, die Spieler vor der Rückgabe der bürgerlichen Ehrenrechte und die Geschäftsführung vor dem kollektiven Suizid zu bewahren. Und hat gesagt: „Nun müssen wir alle, auch sie, liebe Vertreter der Medien, an einem Strang ziehen.“
Machen wir, klaro. Ein paar gibt es zwar, die haben nicht erkannt, wie ernst die Lage ist und siezen den Herrn Lerby weiterhin und belästigen ihn sogar mit solchen Fragen wie: „Herr Lerby, war es nicht eine überraschende Taktik, mit fünf Liberos und vier Rechtsverteidigern?“ Aber die holt Sören wieder schnell zurück in den Freundeskreis. „Haha, weissst du, du, dat ist kein Problem, du, ne.“ Sören, der mal früher ein durchsetzungsfähiger Fußballer auch bei den Bayern war, hat nämlich ein Konzept. Mal läßt er den Libero zu Hause und verliert 0:3, oder er läßt die C-Jugend verteidigen und verschenkt einen 2:0-Vorsprung. Daß das Konzept keiner erkennt, ist das Konzept.
Du, dat is kein Problem“ und „Ick weiß nicht“ sind Sörens Lieblingssätze, selbst wenn nach Lage der Dinge „die Sören dat Problem von diese Klub“ bald nicht mehr lösen wird und ab Weihnachten wieder Wurst verkauft. Bis dahin macht er aber weiter den Ersatz- Carrell und hat viel zu tun. Im Hotel zum Beispiel, wo er ebenso wohnt wie die halbe Bayern-Mannschaft. „Oh jo, ick bin immer im Hotel. Durch München gehe ick nicht. Kenne ick alles ssson.“ Also trifft er sich mit Toni, dä Tünn, mit Alois Reinhardt, der den Augenthaler spielen soll, mit Bernardo, der angeblich ein anderer sein soll als der Beobachtete, der deshalb nie spielt, aber auch im Hotel wohnt? „Oh, nee du, ick bin ja niii da.“
Widersprüche kennt Sören nicht, spricht auch in Wirklichkeit viel besser deutsch als er vorgibt und versteht vor allem alles, was er gefragt wird. Nur will er eben nicht antworten. Dazu ist er ja auch nicht da. Einen, der aneckt, dessen Worte die Medienvertreter nach Verlassen des Medienvertreterraumes auf die Goldwaage legen, den wollten sie bei Bayern nach Heynckes nicht mehr haben. Statt dessen einen Lustigen für die Stimmung. Haben sie. Einen Grauen für die Seriosität. Haben sie, ist der Präsident. Diverse Vizepräsidenten, wovon der eine blaublütig und der andere rotbäckig ist, die dem Schatzmeister, der immer auf die eingegangenen Märker den Eingangsstempel setzt, weltmännisch auf die Finger klopfen. Haben sie. Einen Manager, der sich darauf freut, bald mit dem Blaublütigen in Europa einkaufen gehen zu können. Haben sie.
Was sie nicht haben, sind Punkte und eine Mannschaft, die diese einfährt. Aber das wird sich bald ändern, sagt der Blaublütige, wedelt mit seinem guten Ruf als Kaiser, Teamchef, Herrscher über den Fußball im allgemeinen und läßt die Stars zu sich kommen. Auf daß der FC Bayern bald wieder das ist, was „die Sören“ schon lange ist. Spitze nämlich. Helmut Schümann
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