Social Media der Bundesregierung: #Supermerkel
Regierungssprecher Steffen Seibert twittert nah an der Grenze zur Wahlwerbung. Dabei ist das gar nicht seine Aufgabe, sondern die der CDU.
Regierungssprecher Steffen Seibert war nicht immer Freund sozialer Netzwerke. Was er einst von Plattformen wie Twitter hielt, erklärte er etwa bei Johannes B. Kerner in der Sendung. Kerner hatte gerade Twitter entdeckt und klappte entsetzt seinen Laptop zu: „Völliger Unsinn, zumindest völlig gehaltlos für journalistisches Arbeiten!“ Das Publikum jubilierte, und Studiogast Seibert stimmte zu: „Ich sehe das genauso“, sagte er. „Ich wüsste nicht, was ich damit sollte.“
Das ist sieben Jahre her. Seibert war damals noch „heute“-Moderator und sah Twitter als „pure Ranschmeiße von Politikern an ein vermutetes junges Publikum“. Das hat sich längst geändert. Als Regierungssprecher twittert er seit Anfang 2011 unter dem Account @RegSprecher für 639.000 Abonnenten. Vielen im politischen Berlin gilt er als Vorbild, wenn es darum geht, die Klaviatur der sozialen Netzwerke zu spielen. Allein: Gerade spielt er sie einigen zu einseitig.
„Es bleibt dabei. Zur Frage, ob sie noch einmal kandidiert, wird sich die Bundeskanzlerin zum geeigneten Zeitpunkt äußern“, twitterte er am 15. November und sorgte damit für Diskussionen im Regierungsviertel. Dazu kamen zwei Einträge auf der Facebook-Seite der Bundesregierung (379.000 Abonnenten): „Kanzlerin Angela Merkel wird 2017 erneut als Bundeskanzlerin kandidieren“, hieß es da.
Nur wenige Tage vorher schlagzeilte das PR-Team um Seibert auf Facebook zudem „Obama exklusiv!“ und berieselte das Netz mit einer Videobotschaft von Barack Obama. Der scheidende US-Präsident huldigte Merkel: „Sie ist aufrichtig, sie ist stark, sie ist exzellent vorbereitet.“
Und was ist mit den Sozis?
Ist das noch Regierungs-PR oder doch schon gezielte Wahlkampfhilfe – aus dem Bundespresseamt statt dem Konrad-Adenauer-Haus? „Ob ‚die Bundesregierung‘auch so nette Fotos von Gabriel, Schulz oder wem auch immer von der SPD posten wird …?“, fragte etwa der Grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz auf seiner Facebook-Seite.
Tatsächlich dürfte die Frage, ob der Regierungssprecher gezielt seine Kanzlerin mit auf dem Sessel halten will und dafür die Instrumente seines Bundespresseamtes für den Wahlkampf einer einzigen politischen Figur aktiviert, nicht zuletzt für die Genossen interessant sein. Am Ende geht es bei dieser Frage um Chancengleichheit im anstehenden Wahlkampf.
„Das geht gar nicht“, sagt dann auch einer, der sich bereits für die SPD auf den Wahlkampf vorbereitet. Ihn irritiert: Seibert sei sonst immer ausgesprochen fair mit anderen Parteien umgegangen, auch dem Koalitionspartner. Deshalb wolle er ihm „noch nicht wegen ein paar Tweets“ namentlich auf die Finger klopfen. Man werde das aber genau beobachten.
Wo zieht der Regierungssprecher also die heikle Linie zur Parteiarbeit? Er selbst äußert sich dazu nicht direkt, aber sein Amt betont: Seibert habe „auf zahlreiche Anfragen lediglich einen Satz wiederholt, den die Bundeskanzlerin selbst mehrfach in Pressekonferenzen und Interviews verwendet hatte“. Seiberts PR-Redaktion habe „streng nachrichtlich“ gearbeitet.
Wie heikel das Thema für das Bundespresseamt im Allgemeinen und Regierungssprecher Seibert im Besonderen ist, zeigt der ergänzende Hinweis, dass dies kein „Überschreiten der Grenze zu verfassungsrechtlich unzulässiger Wahlwerbung“ gewesen sei. Präventiv, ohne von der taz darauf angesprochen worden zu sein, verspricht Seiberts Behörde: „Sollte sich noch ein anderes Kabinettsmitglied um das Amt des Bundeskanzlers bewerben, wäre selbstverständlich gleich zu verfahren.“ Seibert scheint sensibilisiert.
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