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So viel Kritik muss sein: Jens Fischer über das Open-Air-Programm des Theaters BremenVerwirrt tastend, nichts ertastend

Ein Theater, das nicht spielt, existiert nicht – und das Theater Bremen hat vom 13. März bis zum 19. Juni kein einziges Mal gespielt. Mit einem leise auftrumpfenden Open-Air-Programm „Aus dem Hof“, drei Wochen lang vorm Kleinen Haus, wird nun die Wiederbegegnung von Bühnen- und ZuschaukünstlerInnen versucht. Es herrscht zurückhaltende Freude über das Überhaupt.

Unter und hinter einem lässig im Wind sich bauschenden Segel kauern BesucherInnen mit frisch sterilisierten Händen auf den weit voneinander platzierten Klappstühlen. Wer sitzt, darf seinen Maskierung abnehmen. Trotz der Weite des Hofes ist die Situation etwas bedrückend.

Geradezu scheu gibt Miles Perkin seine Singer-/Songwriter-Preziosen zum Besten. Der kanadische Multiinstrumentalist spielt das Release-Konzert seines Albums „Subtones“. Er setzt auf Untertöne in den Lyrics und dahingetupftes Kon­trabassspiel, ergänzt um perkussive Schläge. Seinem filigran in hohem Register schwebenden, etwas dünnen Gesang gibt er eine melancholisch verhuschte Färbung. Sucht dabei vorsichtig nach Ausdruck in einer unaufgeregt pulsierenden Musik. Leise verwehen die Lieder.

Mit Druck über die Rampe kommt erst Rio Reisers „Ich will Rot“ in Annemaaike Bakkers inniger Interpretation, da behauptet Theater erstmals wieder Lust aufs Leben nach all den zurückgezogenen Wochen.

Dem Konzert folgt das Schauspiel. Regieassistentin Nora Strömer hat mit Ensemblemitglied Emil Borgeest extra für den Hof eine Performance entwickelt: „Dog days“. Den Titel übersetzt sie und meint, Hundstage bezeichneten eine harte Zeit – wie wir sie gerade erlebten. Daraus will sie etwas Gutes erwachsen lassen. Als solches ist noch nicht zu werten, dass nun Plastikpflanzen auf dem Hof drapiert und begossen werden.

Dass Borgeest und Justus Ritter anschließend unter knöchellangen Blondhaarperücken das Stichwort Dog aufnehmen und über einen ausgestopften Hund plaudern, ist nicht wirklich gut, nicht schlecht, einfach nur belanglos. Hilflos wirkt es, wenn Strömer mit verzerrter Stimme ein paar Gespenster-Gedanken zum post-pandemischen Theater fabuliert. Woraufhin weitere Gäste martialisch über den Hof stolzieren, als wären sie auf einem Laufsteg, oder einfach lostänzeln, weil sie vielleicht nicht wissen, was man performativ sonst noch so machen könnte.

Auch echte Vierbeiner werden durchs Publikum geführt, wie bei einer Hundeschau. Daraufhin verkaspern Ritter/Borgeest den nöligen Gitarrenschrammelschlager „Du Hund“ von International Music. Mit diesem ratlos wirkenden Assoziationsspektrum ist „Dog days“ ein verwirrt tastender, nichts ertastender Versuch, zum Live-Entertainment mit ästhetischem und inhaltlichem Mehrwert zurückzukehren.

Aber noch stehen ja 16 Programmpunkte aus.

Bis 12. Juli, Theater Bremen

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