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So viel Kritik muss sein: Jasmin Koepper über „digital dialogues“ von Tanz Bremen und UrbanscreenAls wär’s einTraum gewesen

Wie tanzende Geister erscheinen überlebensgroße Projektionen von zwei weiß gekleideten Tän­ze­r:in­nen an der jahrhundertealten Fassade des Doms. Miteinander und gleichzeitig getrennt schweben die bewegten Körper über glatt geschliffene Kalksandsteine. Es sind sphärische Klänge und leichte Beats zu hören. Ab und zu verschwinden Körperteile in dem dunklen, kleinen Rosettenfenster.

Nähe und Distanz, die Pandemiethemen, wurden von Tanz Bremen und Urbanscreen in den „digital dialogues“ spannend und vielschichtig aufgearbeitet. Der Titel ist dabei ganz wörtlich zu verstehen: Zehn Tän­ze­r:in­nen haben sich in Tandems aus einer Person, die in Bremen lebt, und einer weiteren aus der großen weiten Welt – Burkina Faso, Südkorea, Brasilien, Kanada und Bangladesh – in Dialoge trotz Distanz begeben. Per Telefon und Video wurde kommuniziert, eine Choreographie besprochen und Videomaterial vor einem green screen aufgenommen. Das Resultat: ein 30 Minütiger Film, der vergangene Woche in mehreren Nächten auf zehn verschiedene Fassaden in Bremen projiziert wurde.

Das Besondere ist das Zusammenspiel von den projizierten Tän­ze­r:in­nen mit Architektur und Setting des Orts. So entsteht jedes Mal ein anderes, lebendiges Kunstwerk im Moment. Kurz verwandelt sich eine Fassade in eine Tanzbühne und danach fühlt es sich fast an, als wäre es ein Traum gewesen.

Die Tän­ze­r:in­nen schaffen es, durch ihren Körper, ihre Blicke, ihre Mimik und ihre Gestik zu sprechen. Körpersprache – genau das, was in der Pandemie in Videokonferenzen sonst verloren geht – wird hier zum zentralen Kommunikationsmittel. Und trotzdem bleibt die Distanz. Die Person in Fleisch und Blut fehlt. Damit erfasst das Projekt die Spannung von Digitalität.

In dieser Spannung bewegt sich der Dialog der Tän­ze­r:in­nen. Zwei Paare hatten ihn zeitgleich aufgenommen und lassen das Publikum an einer bewegten, interaktiven Kommunikation teilhaben. Bei den anderen drei Paaren ist das nicht ganz geglückt. Sie treten als einzelne Tän­ze­r:in­nen auf, die mit ähnlichen choreographischen Elementen die Musik auf ihre Weise interpretieren. Ihr Dialog klammert die tänzerische Interaktion im Moment aus.

Besonders schön ist die Vielfalt der Tänzer:innen. Sie kommen aus verschiedenen Ländern und Generationen und verwenden ganz unterschiedliche Tanzstile und Bewegungen. Das reicht von elegantem Steppen und windenen Bewegungen auf dem Boden bis hin zum Hüpfen wie ein Flummi und Abrocken mit einer Luftgitarre. Das zu sehen, macht Spaß.

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